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von Spieler zu Spieler, alles über GT

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Streuner (*) schrieb am 05-05-2004 16:00:21 : Hmm...
Eine menschliche Gesellschaft entwickelt sich durch Neuerungen. Ohne diese Neuerungen erstarrt sie und wird sehr bald vergangen sein. Neuerungen sind jedoch im Großen und Ganzen alleine der Jugend vorbehalten. Ältere Personen sind im allgemeinen durch die Erfahrungen sehr viel vorsichtiger und wissen ihr eigenes Leben sehr viel mehr zu schätzen, als daß sie erhöhte Risiken eingehen würden. Außerdem sind sie mittlerweile in einem festen Umfeld etabliert und in ihren Meinungen im allgemeinen schon recht festgefahren. Sie haben ihren Platz und den wünschen sie nicht zu riskieren. Dies resultiert im Großen und Ganzen darin, daß die älteren Generationen gegenüber Neuem im allgemeinen sehr viel weniger aufgeschlossen sind und sich auch schwerer anpassen können. Daher ist es für eine menschliche Gesellschaft geradezu zwingend notwendig, daß es Nachkommen gibt und ältere Individuen langsam aussterben, damit sich ein Forstschritt etablieren kann und die Gesellschaft gegenüber der Umwelt flexibel und anpassungsfähig bleibt. Unter Umwelt sind hier insbesondere technische Neuerungen, innere Veränderungen, gesellschaftliche, politische und philosophische Entwicklungen in Nachbarkulturen usw. gemeint.
Bei GT gibt es eine solche Alterung jedoch nicht. Gelegentlich wird mal ein Charakter genuked, gelegentlich verläßt ein Spieler das Spiel und löscht dabei. ABER: Es gibt kaum noch "neuen" Nachwuchs an Spielern und diejenigen, die einen Charakter verlieren werden ihren neuen Charakter in den meisten Fällen im gleichen Umfeld hochziehen, ihn sich hochschießen lassen usw. und damit wird dieser automatisch wieder in die gleiche Rolle eingefügt, die der alte Charakter hatte.
Dadurch, daß alte Charaktere nicht aussterben werden insbesondere alte Machtstrukturen und, mehr oder weniger, persönliche Streitigkeiten beibehalten. Eine Machtstruktur verschwindet nur dann, wenn eine ganze Serie von Spieler löscht, aber es wird sich dadurch KEINE neue Macht bilden, sondern die eingefahrenen und verbliebenen Strukturen werden nur noch gestärkt. Die alten Machtstrukturen behindern entschieden das Aufkeimen einer neuen. Ohne Beziehungen und damit stückweise Integration in bestehende Strukturen der wenigen wirklich neuen Spieler und ihrer Charaktere ist man in GT derzeit auf Dauer kaum überlebensfähig.

D.h., das derzeitige System ist nicht nur als "Universum" in dem Sinne persistent, daß nicht gewiped wird, sondern ganz speziell auch in seinen Strukturen. Aus einer fehlenden Alterungsstruktur folgert also ganz entschieden eine fehlende Flexibilität, fehlender Nachwuchs usw. Es tritt eine stetige Überalterung auf, die letztendlich in immer mehr Langeweilie resultiert. Dennoch ist dieses Spiel weiterhin stark suchterzeugend und man will seine z.T. mehrjährige Spielzeit auch nicht so ohne weiteres aufgeben (einige tun es, aber dann eher aufgrund äußerer Umstände, wie neuer Job, Familie usw.). Ergo, wird fast zwanghaft nach neuen Lösungen gesucht. Und daran reibt man sich bald gegenseitig auf. Kleinigkeiten bauschen sich auf, werden zu Kriegen usw. Wer solche Kriege gewinnt, dürfte klar sein: Derjenige mit der sehr viel größerer Macht. Sollten beide Parteien in etwa gleichauf liegen, so kann es aber auch zu einem Status quo kommen, der sich nur noch durch Löschung ändern läßt. Und so führt ein solcher Krieg im allgemeinen ebenfalls zu keiner Neuerung, sondern nur zu einer weiteren Festigung der Strukturen. In der Regel haben aber einige der "Verlierer" keine Lust mehr und sind froh, daß endlich die Bindung durch den Verlust des uralten Charakters gelöst ist und sie das Spiel dran geben können. Sie hören auf.

Eine weitere Folge der starren Strukturen ist ein schleichendes Nachlassen der Begeisterung innerhalb des Entwicklerteams. Sicher, ab und an gibt es noch Events, aber wie sich an dem letzten gezeigt hat, ist die Spielerbeteiligung im Vergleich zu früheren doch recht mager und daran leidet auf Dauer die Motivation. Außerdem läßt die Spielumgebung nur wenig Platz für kreative, konzeptionelle Neuerungen im Bereich der Events. Die Folge davon ist klar: Auch von Seiten der Entwickler wird das Spiel einschlafen. Es gibt kaum Ereignisse, die den gewohnten Trott unterbrechen.

Insgesamt resultiert das Ganze also zwingend in einem langsamen Dahinsterben des Spiels bis irgendwann der letzte das Licht ausmacht. Ohne eine Altersfunktion kann ein persistentes Univesum NICHT lebensfähig bleiben. Der konstant schleichende Verlust an Spielern beweist dies.



Was könnten nun die Folgen eines Wipes sein?
Aus der Erfahrung mehrfacher Wipes kenne ich die Aufbruchsstimmung, die danach herrscht. Einige werden sicherlich das Spiel verlassen, das ist korrekt. Die durch die langjährig gespielten Charaktere fast erzwungene Bindung ist nämlich auf einmal gelöst. Aber die große Masse wird unter Garantie bleiben. Und das wichtigste: Durch entsprechende Werbung, Mund-zu-Mund-Propaganda usw. lassen sich viele neue Spieler gewinnen, die das Spiel doch gerne einmal ausprobieren wollen und dabei auch noch Chancen haben wollen, etwas erreichen zu können. Der Zuwachs wird die Verluste um einiges übertreffen. Das ist in vergangenen Runden immer wieder gezeigt worden.
Weiterhin werden gerade diese alten, hemmenden Strukturen aufbrechen. Sicher, viele Spieler, die zusammen Spaß hatten, werden sich auch jetzt wieder zusammenfinden und einige werden sicherlich auch ihren alten Clan wieder gründen. Doch meine Beobachtungen haben mir gezeigt, daß dies eher eine Minderheit ist. Die meisten werden völlig neue Ideen umsetzen wollen. Es geht sogar soweit, daß Spieler, die sich bisher fast gehaßt hatten, auf einmal sogar auf der gleichen Seite stehen. Als Beispiel sei hier die alte EVIL/VAMP-Crew und der MQ genannt, die sich in der Nemesis-Runde zum Teil am liebsten an die Gurgel gegangen wären.
Die Aufbruchsstimmung entwickelt sehr schnell eine Eigendynamik und es beginnt fast sowas wie ein Wettkampf. Wer baut die ersten Zerris, wer die ersten Supras, wer vielleicht sogar eine Clanstation? Die Spieler haben eine Aufgabe und sind bemüht, daraus etwas zu machen. Das RPG wird im allgemeinen wieder stark belebt. Denn warum sollte man mit Fakenicks alles zuflamen, wenn völlig neuartige Clans und Charaktere auftauchen, die mit den bisherigen nichts mehr zu tun haben. Neue "Gründungs- und Hintergrund-RPGs" tauchen auf usw. Bisher konnte ich auch jedesmal eine gewisse Entspannung der gesamten Situation und des Verhältnisses der Community untereinander beobachten.
Die Aufbruchsstimmung kontne sich übrigens recht gut bei dem kurzen Intermezzo mit dem offenen Testserver finden lassen. Dort haben einige, die von dem regulären Spiel ziemlich angeödet waren, auf einmal richtig Gas gegeben und hatten eine Menge Spaß.
Im Endeffekt werden die Leute im Großen und Ganzen einfach wieder viel mehr Spaß an dem Ganzen haben und vor allem werden mehr Spieler mitmischen.



Warum wollen alte Spieler häufig keinen Wipe?
Die Antwort ist klar: Sie sitzen am längeren Hebel und wollen ihre Macht unter keinen Umständen aufgeben. Klar verständlich, würde ich auch nicht. Aber gerade dadurch grenzen sie sich selbst ein und viele sind ganz einfach unzufrieden mit ihrer Situation. Außerdem ist die psychologische Bindung zu den langjährigen Charakteren zu stark. Die Spieler haben das Gefühl, sie könnten um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden. Ich habe häufig das Gefühl, daß es sowas wie eine Haßliebe ist. Auf der einen Seite sind ihnen die Charaktere mit ihren Werten, ihrer Macht, ihren Schrullen und einem möglichen RPG-Hintergrund sehr ans Herz gewachsen, aber auf der anderen fühlen sie sich von genau diesen Charakteren und den Strukturen, in denen sie sind, auch in eine feste Rolle gedrängt. Sie haben das Gefühl, weiterhin spielen zu müssen, damit die Arbeit nicht umsonst war; oder sie spielen nur noch aus einer mittlerweile festen Gewohnheit. Diese Gewohnheit ist es häufig auch, von der sie sich nicht trennen wollen. Hinter dem Wipe liegt das Unbekannte und das vermittelt eine gewisse Angst. Hier und jetzt habe ich meinen dicken Charakter mit seiner Station und einem ordentlichen Clan dahinter, aber nach dem Wipe habe ich gar nichts. Genau wie alle anderen. Jeder hat die gleichen Chancen und möglicherweise schaffe ich es diesmal nicht mehr, mich in diesem Teich behaupten und eine erneute, gleichwertige Position zu erreichen.



Ein persistentes Universum war meines Wissens das gesetzte Ziel für GT und Fizz Traum. Die Idee ist auch äußerst reizvoll und birgt eine Menge Potential. Eine fortlaufende Geschichtsschreibung, ein kontinuierliches System usw. Aber sie ist meines Erachtens unter den jetzigen Regeln auf Dauer zum Tode verurteilt, da einige elementare Dinge nicht beachtet wurden. Das sind zum einen die gültigen Prinzipien einer funktionierenden Gesellschaft und zum anderen die Langeweile der Spieler bei einer fehlenden strukturellen Änderung. Ich verstehe durchaus, daß das Dev-Team nicht von diesem Traum abweicht und seinen Wunsch umzusetzen bemüht ist. Daher gehe ich derzeit auch davon aus, daß es in naher Zukunft keinen Wipe mehr geben wird - bis das Spiel die Schwelle überschritten hat, an der es komplett einschläft und nicht mehr gehostet wird oder endlich ein Schritt getan wird, um das Spiel zu retten.

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