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Del (*) schrieb am 11-11-2005 0:19:39 : Fairness...
... setzt vor allem eine objektivere Betrachtungsweise und ein damit korrelierendes Einfühlungsvermögen voraus. Und das ist insbesondere im Netz, wo es keinerlei Körpersprache gibt, eines der schwierigeren Probleme. Zusätzlich ist der Sog des subjektiven Empfindens gerade bei einem solch emotionellen und mit hohem Suchtpotential ausgestatteten Spiels wie GT ein massives Problem.

Eine Vorraussetzung wäre daher, daß es einen grundlegenden Verhaltenskonsens gibt, anhand dessen eine objektive Bewertung der Handlungen im Spiel sowie der Postings und Äußerungen im Forum bzw. per IGM möglich ist. Weiterhin sind gerade die Formulierungen eindeutig zu wählen, da die oben schon angemerkte Körpersprache fehlt, durch die vielen Worten erst ihre eigentliche Bedeutung zukommt. Im Gegenzug müßte jeder Spieler die Schriebe, die sich gegen ihn richten, mehrfach auf ihre wahre Bedeutung prüfen.
Zweideutige Formulierungen haben im ooc-Bereich daher nichts verloren. Im Sinne des RPGs werden sie jedoch nicht selten verwendet, um entsprechende Ziele zu erreichen und müßten dort rein als solches aufgefaßt und interpretiert werden. Dies setzt jedoch ein reines Charakter-Verhalten voraus und bedarf auch hier einer klaren Formulierung aus der speziellen Sicht des Charakters. Postings gewisser Individuen, die dazu nicht fähig oder willens sind, würden solche Interpretationen wiederum massiv gefährden und reine RPG-Interpretation erheblich erschweren bis unmöglich machen.

Die Notwendigkeit ist also eine gleich Grundlage (vor allem im RPG), die in einem Spiel wie GT jedoch nicht gegeben sein kann. Neben den individuellen Charakter-Unterschieden der Spieler und der damit verbundenen längeren oder kürzeren Zündschnur, den subjektiven Interpretationen usw., agieren die einzelnen Spieler einfach auf verschiedenen Stufen. Für manche sind gewisse Einzeiler in einer vergleichsweise schnoddrigen Art schon als RPG zu sehen. Für andere wiederrum sind solche "ohne Mühe dahingeworfenen Kommentare" ein rotes Tuch und sie sind nicht willens, sich mit solchen "RPG-Legasthenikern" überhaupt weiter abzugeben bzw. sehen dies schon als einen Affront des Spielers. In diesem Sinne ist eine dortige Fairness also nur unter Gleichen möglich. Sobald die Unterschiede in den Ansichten und der in das RPG investierten Mühe zu groß werden, kann dies nur unweigerlich in einem baldigen Flame enden. Die Folge kann nur sein, daß die Gegner sich über kurz oder lang gegenseitig zu zerfetzen versuchen und dies sehr bald in der Ausschöpfung sämtlicher Mittel endet.

Der gleiche Effekt wird der Fall sein, wenn sich auch im Spiel ein Unterschied in dem Verhaltenskonsens ergibt. Dies mag z.B. sein, daß das Herunterschießen eines Charakters auf unter 20% schon als massiven Angriff gewertet wird, da er somit einem möglichen Nuke durch Dritte sehr nahe käme. Der nächste Schritt sind die harmloseren Strafen wie Kerker. Und wiederrum andere halten selbst das Zerstören für eine völlig normale und legitime Option. Unter diese unterschiedlichen Ansichten ist schon eindeutig klar, daß der Begriff Fairness nicht definiert werden kann, da dieser einen gemeinsamen Konsens vorraussetzt.


Kommen wir dann zu meinem Lieblingsthema in MMPORPGs: der menschlichen Psyche. Immer wieder konnte ich an mir selbst, aber auch an fast allen anderen beobachten, wie sich die Einstellung zum Spiel und damit auch die Spielweise mit zunehmenden spielerischen Fähigkeiten, aber vor allem auch den Möglichkeiten der Charaktere ändert. Solange man eher zu den Opfern gehörte, waren Nukes das Schlimmste und Unfairste, was man sich vorstellen konnte. Je besser man jedoch wurde, desto mehr änderte sich diese Einstellung und über kurz oder lang erwischt fast jeden die Lust am Nuken. Einfach, weil der Jagdtrieb und die Ausübung von Macht in jedem von uns eine gewisse Befriedigung hervorrufen. Angesichts dieser Unterschiede wird der Begriff Fairness also eine nur schwer zu interpretierende Größe.

Desweiteren kommt ein Punkt, der erst vor kurzem in der Psychologie entdeckt wurde, zum Tragen. Demnach arten z.B. Schlägereien sehr oft aus, da die Hiebe des Gegners aufgrund eines psychologischen Effekts als weitaus stärker empfunden werden, als die eigenen. Ein Konflikt schaukelt sich also ganz automatisch hoch, da jeder denkt, er würde es dem Gegner mit gleicher Stärke zurückzahlen, in Wahrheit aber immer einiges mehr drauf legt. Das gleiche Problem sehe ich hier bei GT und anderen RPGs. Als Beispiel dazu: Ein Pirat entert kontinuierlich die Händler eines Clans. Diese werden so langsam sauer und sagen ihren HH-Freunden Bescheid. Die HHs entern den Piraten ein paarmal, um ihn davon abzubringen. Natürlich soll es wirken und so nimmt man einige Schiffe mehr. Der Pirat ist daraufhin ebenfalls sauer und greift seinerseits verstärkt die Händler an. Diese beschweren sich weiter und die HH wollen ihm schließlich eins verpassen, nuken ihn und waschen ihm den Enterskill. Der Pirat meint, daß er seinen Char daraufhin vergessen kann, sammelt seinerseits ein paar Freund um sich und fängt an die Händler zu nuken und ihnen die Skills zu waschen. Und so bauscht es sich Stück für Stück auf und am Ende hassen sich die beiden Parteien regelrecht und versuchen sich mit allen Mitteln aus dem Spiel zu schießen.

Ein weiteres Problem ist die heutige Freiheit der Menschen. In früheren Zeiten war die Hackordnung innerhalb der Gruppen vergleichsweise streng und jeder kannte seinen Platz. Aber gerade im Netz, wo es in dem Sinne kaum noch Unterschiede in den "kämpferischen Fähigkeiten" der Leute und vor allem keine persönlichen Konsequenzen mehr gibt, ist die Machtfrage, die unsere gesellschaftliche Struktur maßgeblich beeinflußt, nicht mehr so einfach zu lösen. Eine Hackordnung ist kaum noch auszumachn und selbst Leute, die im Spiel trotz allem klar unterlegen sind, wollen sich aus Mangel an persönlichen Konsequenzen nicht mehr in ihre unterlegene Rolle fügen. Dementsprechend wird häufig der Kampf aus dem Spiel ins Forum verlagert, oder zu sogenannten "unfairen Mitteln" gegriffen. Die gelegentlichen Machtkämpfe, wie sie in einer Gruppe von Menschen oftmals unbewußt und in Form der Körpersprache auftreten und entschieden werden, arten hier zu einem kontinuierlichen Kräftemessen und zunehmender Aggression aus. Die Folgen sind dann ganz klar.

Als letzter Punkt in Sachen Fairness sei noch das Altbekannte angemerkt. Zuviele sehen hier einfach keine Menschen hinter den Gegnern, sondern sowas wie Bots. Daher halten sie sich auch nicht zurück, wenn sie ihre Langeweile bekämpfen wollen und dazu eine härtere Spielart vorlegen, oder wenn sie einfach ihren Frust abbauen.


Ach ja, für diejenigen, die mich nicht kennen sollten: In punkto Härte im Spiel zählte ich wohl aus Sicht fast aller definitiv zu den unfairen Spielern. (by streuner)
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