Das unbemerkte Verglühen zweier Sterne am Firmament
Ein zartes Piepsen flatterte durch den Raum. Auf dem Nachttisch blinkte neben einer Digitaluhr ein Comgerät hellblau auf. Eine Hand grub sich unter der Bettdecke hervor, suchte tastend nach dem Übel der Störung und zog es zu sich unter die Decke. Als das Piepen verstummt war, kam eine noch sehr verschlafene Frau in zerknautschter und nach links gedrehter Nachtwäsche unter dem Bettzeug zum Vorschein.
"Was gibt’s?", auf das schlimmste gefasst wartete sie die Antwort ab. Mitten in der Nacht geweckt zu werden, bereitete ihr Unbehagen.
"Mitternachtmagueritas."
"Ich fliege sofort los..."
"Nee, brauchste nicht. Ich sitze schon bei dir auf dem Schiff. Dein 1O war so nett, mich reinzulassen", sie hörte ein Kichern.
Schnell stand sie auf, schlüpfte in ihre Schlappen und huschte aus ihrem Quartier. Über ein Jahr war vergangen, seit sie das letzte Mal diesen Schlachtruf gehört hatte. Was Cat wohl will?
Der Gedanke an das letzte Mal versetzte ihr einen eisigen Stich, genau dort, wo das Herz sitzt; wo es zumindest bei den meisten Menschen sitzen sollte.
Damals waren sie noch zu viert gewesen. Kurz darauf ist die Süße gestorben - im Kampf für den TM'K. Durch die Hand eines RAK. Der Verlust ihrer langjährigen Freundin hatte sie alle schwer getroffen.
Den wohl schlimmsten Einschnitt musste dann jedoch Aretha hinnehmen, als ihre kleine Schwester zu Tode kam. Wieder im Krieg. Wieder für den TM'K. Diesmal durch die Hand eines DUKE. Wie lange hatte sie sich in ihrem Quartier eingeschlossen, das Licht ausgelassen und im Bett verkrochen, mit den Gedanken in anderen Sphären kreisend? Stunden – Tage! Wochen? Ja, vielleicht auch das. Sie konnte es im Nachhinein nicht mehr genau einschätzen. Es war ihr unendlich lang vorgekommen. Noch heute schmerzte die Erinnerung in der Tiefe ihrer Seele. Mit dem Verlust Liandras ging ein großes Stück ihrer selbst. Lasguil, das zarte elbische Pflänzchen, wäre damals fast verdorrt. Die negativen Gefühle, die von ihr ausgingen, wirkten sich ebenfalls negativ auf den empfindlichen Organismus aus, der auf Grund seiner Herkunft an sie gebunden war. Ihre Fürsorge hatte abrupt nachgelassen und bewirkte nichts mehr. Es sah damals so aus wie sie sich fühlte: Vertrocknet und nur noch ein Schatten.
Mit einem Kopfschütteln verscheuchte sie die ungeliebten Erinnerungen und Bilder. Zumindest für diesen Moment. In ihren Träumen musste sie noch oft mit ihnen kämpfen.
Sie hatte die große geräumige Küche schnell gefunden, unterzog sich dem gewohnten Netzhautscan und schon öffnete sich die Tür. Drinnen saß Cat an dem massiven Holztisch, hatte den Mixer und die Zutaten vor sich ausgebreitete und nagte gelangweilt an einem Strohhalm.
Unruhig und zum wiederholten Male blickte Tiggy auf die Zeitanzeige ihres Coms. Es stand alles bereit. Ihr Blick glitt über den Tisch wo bereits alles lag was sie brauchten. Als sie die Strohhalme sah griff sie nach einem und begann ihn als Blitzableiter für ihre Nervosität zu benutzen.
Zwei! Nur noch zu zweit....Verdammt Aretha, lass mich hier nicht so lange warten, so groß ist dein Schiff nun auch nicht....
Endlich öffnete sich das Schott und Aretha trat ein.
"Meine Güte brauchst du lange.", gespielt tadelnd warf sie einen Blick auf die großen Zeiger der Küchenuhr, die an einen antiquaren Bahnhofschronometer erinnerte.
"Na komm schon. Die 5 Minuten.", sie ging auf Cat zu, drückte sie ganz fest und stellte dann die Musik an.
"Dann lass uns mal los legen."
Schnell waren die Zutaten im Mixer verschwunden und die Gläser gefüllt. Zufrieden schlürfend saßen sie sich weitere 5 Minuten später gegenüber. Tiggy stützte den Kopf auf der freien Hand ab während Aretha mit beiden Händen das Glas festhielt und es beständig hin und her drehte, während ihr Strohhalm den Inhalt kontinuierlich leerte.
Nach einer Weile Ruhe, in der sie nur der Musik gelauscht hatten, blickte sie Cat an.
"Warum eigentlich? Was liegt an?"
"Nichts besonderes. Ich wollte nur mal wieder mit dir in Ruhe reden..."
"Cat, wie lange kennen wir uns schon? So einfach kannst du mich nicht belügen und hoffen ich würde es nicht merken."
Ein kurzes Zögern, wieder nur die Geräusche der Musik und ein leises Schlürfen.
"Weißt du wie es mir geht? Beschissen. Einfach nur beschissen. Ich kann mich auf nichts mehr richtig konzentrieren. Meine Arbeit verrichte ich eher schlecht als recht. Immer öfter muss ich Sina das Kommando übergeben weil ich unkonzentriert bin. Und nein, es liegt nicht vorrangig an Saleph. Irgendetwas fehlt mir. Und ich kann dir auch sagen was das ist. Es ist deine Quirrlichkeit. Seit der Sache im Gra'el...", ein Blick auf Aretha brachte sie zum verstummen. Die plötzlich aufflammende Trauer in den dunkelblauen Augen ihres Gegenüber lies ihren Magen zu einem unförmigen Eisblock erstarren.
"Tut...tut mir leid...", brachte sie stotternd noch heraus.
"Nein, schon okay.", es war nur noch der Hauch einer Stimme.
"Ich weiß, dass der Verlust von der Kleenen nicht leicht zu verkraften ist...", sie schluckte schwer. Tiggy wusste, dass sie sich auf dünnes Eis vorwagte. Jeden Momente konnte der Boden unter ihr nachgeben und sie hätte Aretha damit in einen nicht enden wollenden Strudel von Gedanken und Erinnerungen gestoßen.
"Ari, ich habe nur noch dich. Hör bitte auf in der Vergangenheit zu leben.", ein nächster vorsichtiger Vorwärtsschritt. Würde das Eis halten?
Aretha versank indes in ihrem Glas.
"Sie war meine Welt, verstehst du das? Für sie hätte ich alles gegeben. Selbst mein Leben! Ich hatte geschworen auf sie aufzupassen, aber ich konnte es nicht. Ich habe so vieles versprochen was ich nicht halten konnte....halten kann...."
"Es war ihre Entscheidung! Sie wollte diesen Schritt tun. Du kannst nichts dafür. Sie ist für etwas in den Krieg gezogen woran sie glaubte.", sie wurde wieder etwas mutiger.
"Bitte denk an die Zukunft und an die Lights und nicht immer nur an die tote Vergangenheit."
Das war es, zu viel. Aretha's Blick wurde leer. Tiggy würde sie nie verstehen können.
Wie könnte sie auch?
"Schon okay....", sie war mit ihren Gedanken wieder ganz wo anders und verfolgte den Gesprächsverlauf nicht mehr aktiv.
"Nichts ist okay. Ich kenne dich lange genug. Weißt du doch. Du kannst mich nicht belügen. Also erzähl endlich und wirf mir nicht immer nur alles in Bröckchen hin."
Ein Lächeln stahl sich auf Aretha's Gesicht bei der plötzlichen Wendung des Gesprächs.
"Tja, seit Lias Tod ist halt nichts mehr wie es mal war. Irgendwie fehlt mir was. Und es ist etwas, was ich nicht mehr zurück kriegen kann. Es ist sie. So einfach ist das. Und dann noch die ganzen verzwickten Zwischenfälle in letzter Zeit. Ich denke, vielen unterschätzen meine Loyalität zu den Lights und die Neutralität der NLS."
Tiggy nickte nur, sie wusste genau worauf Aretha hinaus wollte. Viel zu häufig waren die Nordlichter in letzter Zeit in die verbale und tachyonische Schussrichtung einiger Kriegsteilnehmer geraten. Sie hatten Beleidigungen, Kerkerungen und den Totalverlust eines Schiffes hinnehmen müssen. Tiggy konnte sich sehr gut vorstellen, wie diese Vorfälle an ihrer Freundin nagten, die sich selbst für alles und jeden bei NLS verantwortlich fühlte. Eine Bürde, die kein Mensch auf lange Zeit tragen konnte. Und Aretha, die Leaderin dieses liebenswerten chaotischen Haufens, trug schwer an dieser Last. Die Familiärebindung zu Liandra und somit indirekt auch zu ihrer damaligen Clanzugehörigkeit stach nur zu deutlich ins Auge.
Wahrscheinlich macht sie sich auch noch Vorwürfe, dass es sie ist, die "ihre" Jungs in Gefahr bringt.
"Tiggy...?!", sie umfasste das Glas fester, bis ihre Knöchel weiß hervor traten.
Sie schien nach den richtigen Worten, nach dem richtigen Ton zu suchen. Denn das, was jetzt kommen sollte, das sagte man nicht einfach so dahin.
"Ich habe eine Idee...ein Gedanke, wie ich mich und euch schützen kann."
Tiggy guckte sie nur fragend an, griff nach dem Mixer und verteilte den Rest des Getränks auf beide Gläser.
"Ich werde sterben.", drei ruhig und entschlossen gesprochene Worte, begleitet von einem Funkeln in den Augen, ihrer wiedererweckten Energie im Angesicht des neuen Ziels. Neue Entschlossenheit machte sich in ihr breit.
"Nicht im Ernst, oder?"
"Nein...", doch die Verneinung kam zögerlich. Tiggy viel es nicht auf, eher fielen ihr Steine vom Herzen die sich nur Sekunden vorher dort aufgetürmt hatten. Nicht noch jemanden verlieren, dann wäre sie alleine. Und schon gar nicht durch den Freitod.
"Wie willst du das anstellen?"
"Ich habe mir da schon was überlegt...", ihre Idee noch mal durchgehend zog sie an ihrem Strohhalm und ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie die saure Maguerita schmeckte.
Tiggy wusste, dass sie nun warten musste. Und das tat sie. Geduldig schlürfte sie die letzten Tropfen aus dem Glas. Endlich begann Aretha ihr ihren Plan zu erläutern. Nickend hörte sie zu. Klang ganz machbar und logisch. Was sie störte, war das WER. Aber es war Aretha. Sie würde schon wissen was sie macht.
Als sie sich trennten und Tiggy auf ihr Schiff zurück spazierte ging sie alles noch einmal durch. Wägte das Für und Wider ab. Mit Aretha's Neuanfang inkognito würde es vielleicht wieder bergauf gehen. Doch konnte sie sich dessen sicher sein? Sie war Arethas Freundin. Was, wenn dann sie ins Blickfeld gerückt werdem würde?
Aretha ihrerseits ging mit einer bitteren Entschlossenheit auf das Holodeck der Lupo und setzte sich mitten zwischen lasguil. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und der goldene Schimmer überall ließ sie sich wohlfühlen. Ihre Gedanken schweiften ab, diesmal jedoch in eine andere Richtung. In die Zukunft. Sie musste noch Vorbereitungen treffen, doch nicht mehr heute. Langsam lehnte sich die Clanleaderin der NLS zurück ins Gras und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen flitzte sie nur schnell durch die Gänge zurück zu ihrem Quartier, noch bevor die Mannschaft wach wurde. Die müssten sie ja nun wirklich nicht im Nachtzeug sehen. Schnell also unter die Dusche, Frühstück in der Kantine besorgen und dann ins Büro zurückziehen. Es galt, einiges zu organisieren und schon nach ein paar Augenblicken war die erste Nachricht diktiert.
"Sehr geehrter Ratsherr Conan,
ich vermute, Sie kennen mich nicht weiter. Höchstens als Schwester einer TM'Klerin, aber das sollte es auch sein.
Allerdings verbindet mich mit Ihnen mehr als Sie vermuten dürften. Ihre Kollegin Miss Carpenter rächte damals eine sehr gute Freundin, Destiny. Sie erinnern sich vielleicht? Sie richtete enemy's friend, da er mithalf, Destiny zu töten. Ihre nunmehr leider ebenfalls verstorbene Kollegin Miss Hatasi erwies mir einst die Ehre der mir zuteilwerdenden Gnade, als Sie mich in die Obhut der Ordnungshüter der Erde übergab, als mein Schiff aus mir bis heute unbekannten Gründen den Antriebskern ausgestoßen hat. Kleinere Treffen also, die mich nun zu Ihnen führen.
Doch ich will zum Punkt kommen.
Meine Schwester war eine vom Thenta Ma`Kur. Für diesen Clan starb sie. Seit diesem Moment an sehen viele meine Schwester in mir. Meine Neutralität wird vergessen und ich kann diesem Druck nicht mehr lange standhalten.
Da Sie nun einst Freund meiner Schwester und Destinys waren möchte ich Sie bitten, mein Schiff zu zerstören. Ja, ich will meinen Tod vortäuschen! Ich hoffe, damit das Übel abwenden zu können um einen Neuanfang zu beginnen.
Ich vertraue Ihnen, da Liandra Ihnen vertraute, und Destiny Miss Carpenter.
In Erwartung einer baldigen Antwort...
Aretha Galad
Leaderin der Northern Lights"
Sie schickte die Nachricht ab und setzte ihre Vorbereitungen fort. Der zweite Punkt auf der Liste war die Beurlaubung der Crew.
Sie tippte ihr Com an:
"Galad hier,
ich möchte alle Besatzungsmitglieder heute um 1500 in der Kantine zu einer kleinen Besprechung bitten. Wer nicht erscheint wird den Dienst quittieren. Danke.", sie konnte das erstaunte Rufen von der Brücke her hören.
So, nun also der nächste Schritt.
Sie schwang sich aus ihrem bequemen Sessel und betrat die Brücke. Sofort ging ein Ruck durch die Mannschaft und alle taten, als wäre nichts gewesen. Sie erwarteten ihre Befehle und bekamen sie auch prompt.
"Zum Meo bitte. Wir statten der Brennerei einen kleinen Besuch ab."
Im Stillen hoffte sie dort Izzy zu treffen. Aber was heißt hier hoffte? Mit einem Lächeln gestand sie sich die Gewissheit ein, dass er da sein würde. Zum 'Testen' natürlich nur.
Während des kurzweiligen Fluges zu ihrem Ziel machte sie sich noch einige Notizen, schaute dabei immer wieder auf die Uhr und überlegte, ob sie heute alles schaffen würde, was sie vor hatte. Die Liste der Dinge die zu tun waren, war lang. Sehr lang um genau zu sein. So ein Abschied will immerhin nicht unüberlegt getroffen sein. Gerade als sie zum x-ten mal auf die Uhr guckte um festzustellen, dass es gerade mal 11:10 Uhr war, ging ihr Com an.
"Cheffin, wir haben den Meo erreicht und docken jetzt an der Mitternachtstraum an. Ein Shuttle steht bereits auf Rampe 3 der VW Lupo."
"Danke, Mr. Shibaka. Ich bin gegen 1430 wieder da."
Sie verließ ihr Büro durch eine Seitentür um nicht über die Brücke zu müssen. Vor der Rampe angekommen ließ sie einen jungen Fähnrich die Tür öffnen und betrat drei Schritte später das Shuttle das schon bereit stand. Kaum dass sie saß aktivierte sie auch schon die Triebwerke und steuerte das Schiff durch die sich gerade öffnende Schotts ins All und in einem ruckigen Linksschlenker zum Meo hinunter. Lang ist's her, dass sie das letzte Mal selber ein Schiff geflogen hatte, und das machte sich nun bemerkbar. Den Autopiloten wollte sie jedoch auch nicht anschalten. Sie genoss es, das kleine Shuttle ruckelnd durch die atmosphärischen Wirbel des kleinen grünen Mondes zu steuern. Noch eine letzte Wolke und schon breiteten sich die Zuckerrohrfelder der NLS unter und vor ihr aus. Als sie mit dem Shuttle in sicherem Abstand hinüber flog bogen sich die Rohrstengel in dem leichten Wind in ihre Flugrichtung, als ob sie ihr den Weg weisen wollten.
Bei der Landung wurde die mangelnde Flugpraxis erneut deutlich: Das einst makellose Schiff hatte nun einen hässlichen Kratzer vom Schornstein der Brennerei an der Unterseite und eine tiefe Delle am Heck, von einem der offenstehenden Tore.
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend betrat sie die geräumige Halle. Wie wird er reagieren?
"Izanagi, bist du da?", ihre Stimme hallte in dem Raum wieder, unterlegt vom gleichmäßigen Stampfen des Kessels und der Melassepresse. Als keine Reaktion kam entschloss sie sich, nicht zur Lupo zurück zu fliegen, sondern sich noch ein Weilchen in ihrem Büro hinzusetzen, zu warten und noch etwas die Unterlagen zu sortieren. Auf dem Weg dorthin stolperte sie im wahrsten Sinne des Wortes über Izzy: Er saß auf dem Boden, die Beine quer über den Gang gestreckt und mit dem Rücken an der Wand. Sein gleichmäßiges Atmen zeigte ihr, dass er schlief. Aber warum so unbequem? Vorsichtig rüttelte sie den jungen Captain am Arm um ihn aufzuwecken.
"Hä, was? Wie? Du? Hier? Ööööhm....also....", kaum hatte er sie erkannt suchte er scheinbar krampfhaft nach einer Erklärung für das ihr gebotene Schauspiel.
Aretha musste lachen.
"Nein, ist schon okay. Du musst mir nichts erklären. Vielmehr muss ich dringend mit dir reden.", sie bot ihm die Hand und er ergriff sie.
"Hab ich was angestellt?"
"Nein, aber ich werde etwas anstellen.", mit dieser verheißungsvollen Aussage drehte sie sich um und ging vor zu ihrem Büro - ein zerknautschter Izzy folgte ihr.
"Setz dich doch...", nachdem sie den Raum betreten hatten, wischte Aretha mit einer Handbewegung einen Haufen Datapads vom Stuhl vor dem Schreibtisch und ging dann um den Tisch herum um sich auf ihren Sessel zu setzen.
Als sie sich gegenüber saßen waren die Neugier und auch Angst, Izanagi ins Gesicht geschrieben. Aretha holte tief Luft und platzte dann mit ihrem Anliegen raus.
"Izzy...ich kann das Ganze nicht mehr mitmachen. Die ganzen Probleme in letzter Zeit.", sie seufzte tief und sank weiter in ihren Sessel zurück.
"Ach komm schon Chefin, so schlimm war das ja nun auch nicht...", mit einer IstDochEgalStimme und einer wegwerfenden Handbewegung versuchte er, ihr das auszureden.
"Wirklich nicht?!", sie sah ihn eindringlich an. +f=50aaff."Bist du dir da sicher?"
Von Izanagi kam keine Antwort, er saß nur da und starrte sie an.
"Sei mal ehrlich: die Kerkerung von Vodka, weil er einen Trainingsangriff auf den DUKE geflogen hat. Dann dieser komische Austausch von Nachrichten zwischen Haubi und dieser Mietze da. Und die Jagd auf Linkin...erkennst du da nicht ein Muster? Sie haben nicht auf meine Nachrichten reagiert, von ihren Seiten kam nichts. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Und...und ich denke...es liegt an mir."
Izanagi sprang aus seinem Stuhl hoch und stützte sich mit seinen Armen auf dem Tisch ab.
"Was soll das? Warum solltest du daran Schuld sein? Das ist doch Quatsch Aretha!"
Immer wenn er sie Aretha nannte war er wirklich aufgebracht. Sie spürte, wie die Hitze in ihr hochstieg. Wie würde er reagieren wenn sie mit ihrem 'Plan' rausrückte?
"Ich denke nur einfach, dass zu viele meine Schwester in mir sehen und denken, dass ich jetzt, um ihren Tod zu rächen, auf die Seiten des Marquis gehen würde und somit auch mein Clan."
"Aber das stimmt nicht..."
"Izzy...das wissen wir, aber wissen es auch die anderen? Oder wollen sie es wissen?"
"Worauf läuft diese Unterhaltung hinaus?", er war zwar manchmal etwas tollpatschig, aber dumm war er weiß Gott nicht.
"Ich möchte einfach hier raus. Ich halte diesen Stress nicht raus. Ich will doch nur meine Ruhe zum Donnerwetter.", jetzt, wo sich Izanagi zu beruhigen schien wallte in ihr die lang aufgestaute Wut wieder hoch.
"Du kannst uns nicht verlassen! Was wären die NLS ohne dich Ari?!", die einstige Wut über ihrer Schuldgefühle wandelte sich in ein Bitten.
"Ich gehe doch nicht ganz. Wie könnte ich? Ich werde meinen Tod vortäuschen."
"Und du meinst das hilft dir? Die finden dich doch wieder."
"Wahrscheinlich schon, nur bis dahin habe ich dann meine Ruhe. Verstehst du das denn nicht? Verstehst du nicht wie das alles für mich ist? Als ob diese ohnmächtige Trauer in mir seid Lias Tod nicht schon schlimm genug wäre. Nein, jetzt werde ich, und dadurch ihr, zum Ziel irgendwelcher Paranoider die sich einst unsere Freunde nannten. Ich will das einfach nicht. Ich will nicht mehr...", der letzte Satz war nur noch ein Flüstern. Auch Izanagi bemerkte – wie schon Tiggy vor ihm – die leichte Unsicherheit in diesen Sätzen nicht. Da er nichts zu sagen wusste beugte er sich ein Stück vor und legte seine große Hand auf ihre.
"Ich übergebe dir mein Amt."
"Nee, vergiss es. Das mache ich nicht. Dafür ist Hunter da."
"Wann hast du Hunter das letzte Mal gesehen? Der ist im Moment mit seinem Umzug in sein neues Haus auf dem Xabepa beschäftigt. Der hat dafür keine Zeit."
"Ich kann das nicht."
"Ach Quatsch, du bist mir eine sehr große Hilfe in jeder schweren Situation. Du kannst das hervorragend."
Eine leichte Röte huschte über sein Gesicht auf Grund dieses Lobs.
"Machst du es? Mir zu Liebe? Bitte."
Er nickte und sie erhob sich. Hier hatte sie alles erledigt was zu erledigen war.
"Und was muss ich da alles machen?", er hatte sie an der Schulter festgehalten.
"Och, eigentlich nichts weiter, nur aufpassen, dass diese Chaoten nicht zu viel anstellen und ihnen nichts passiert.", ihr sorgloser Unterton schien ihn zu beruhigen und er ließ sie los.
"Und du kommst auch wirklich wieder?"
Aretha stand noch mit dem Rücken zu ihm, so konnte er ihren traurigen Gesichtsausdruck nicht sehen.
"Natürlich.", ihre Lüge kam überzeugend genug. Sie hörte ihn aufseufzen, drehte sich zu ihm um und drückte ihn. Das erste Mal seit sie sich kannten.
"Mach's gut und pass auf dich auf, Izzy!", sie hauchte ihm noch einen Kuss auf die Wange und dann war sie aus dem Büro verschwunden und auf dem Weg zurück zu ihrem Shuttle. Als sie es erreicht hatte blieb sie noch einen Moment stehen, atmete tief die saubere Luft des Meo ein, in vor allem so dicht an den Zuckerrohrfeldern immer ein leichter Geruch nach Erde mitschwang. Sie hörte noch das Stampfen der Presse und schloß die Schleuse. Dann zündete sie dir Triebwerke, programmierte einen Kurs zurück zur Lupo und machte innerlich einen Häkchen hinter einem weiteren Punkt auf ihrer to-do-Liste.
"VW Lupo, erbete Landeerlaubnis."
"Erlaubnis erteilt, Rampe 5"
Sie steuerte das kleine Schiff auf die sich öffnende Rampe zu und ließ ihren Blick über den Kreuzer schweifen, achtete im nächsten Wimpernschlag aber auch schon wieder auf die korrekte Einflugbewegung und verschwand im Bauch des Schiffes.
Zurück auf der Brücke ließ sie einen Kurs durch das Serpens setzen. Sie war auf der Suche nach der Sibirischen Tiger, ließ sämtliche Sensoren nach der Signatur des Schiffes suchen, und verschwand dann in ihrem Büro. Ihr erster Weg war direkt zu ihrem Bildschirm um zu schauen, ob neue Nachrichten eingegangen waren.
"Keine neue Nachrichten.", ließ die Computerstimme verlauten. Ein kleiner Seufzer entfuhr ihr wohl schon zum x-ten Mal an diesem Tag. Aber was hatte sie auch erwartet? Das er sofort zustimmte? Er hatte wichtigere Dinge um die Ohren als die Zerstörung eines Schiffes. Er stand im Krieg. Und überhaupt, was sollte ihn schon dazu bewegen, ihr diesen Gefallen zu tun? Sie war noch in Gedanken versunken als ihr Com piepte.
"Chefin, Shibaka hier. Vergessen sie nicht die von ihnen einberufene Sitzung."
Oh Mist, das hatte sie total vergessen. Als sie einen Blick aus dem Fenster warf konnte sie den Eidonus sehen und wusste, dass sich ihr Schiff in einer Ruhephase befand, nur 5 Mann auf der Brücke, der ganze Rest war in der Kantine versammelt und wartete auf sie. Ihr Blick zur Uhr sagte ihr, dass sie bereits jetzt 13 Minuten zu spät dran war. Also schloss sie noch schnell das Nachrichtenfenster und verließ ihr Büro diesmal durch die richtige Tür.
Als sie vor dem Schott zur Kantine stand konnte sie das aufgeregte Geschnabbel von drinne hören, atmete sie noch einmal tief durch und betrat den Raum. Alle Köpfe flogen rum und langsam begann das Stuhlgescharre als sich jeder einen Platz suchte. Einige mussten auf den Tischen sitzen oder an der Wand stehen, aber als jeder einen Platz gefunden hatte, begann sie zu sprechen.
"Guten Tag.
Ich habe heute eine wichtige Ankündigung zu machen."
Gemurmel unterbrach sie und sie ließ ihre Crew die Aussage erst mal mit dem jeweiligen Nebenmann oder –frau besprechen. Als wieder Ruhe war fuhr sie fort.
"Ihr werdet alle bis auf weiteres beurlaubt. Der Grund ist an dieser Stelle irrelevant und ihr werdet es früh genug erfahren. Ich möchte, dass ihr euch alle nach Hause begebt und euch regelmäßig bei Izanagi meldet, ob er euch vielleicht auf anderen Schiffen einsetzen kann.
Wir haben einige Schwierigkeiten durchlebt und viele Dinge bewirkt! Jeder von euch hat stets sein Bestes getan und dafür möchte ich euch danken!"
Sie sah die offenen Münder und ungläubigen Blicke ihrer Crewmitglieder, lächelte, winkte und verließ den Raum, bevor die Nachricht richtig durchgesackt war. Doch noch ehe sie die Tür zum Gang erreicht hatte, hatte sich Shibaka erhoben, er saß in der hintersten Reihe, und rief zu ihr rüber:
"Chefin, nehmen sie sich das alles was geschehen ist nicht zu sehr zu Herzen, wir alle trauern mit ihnen.", vereinzeltes Nicken bestätigte seine Aussage.
Aretha stiegen das erste Mal seit ihrem Entschluss die Tränen in die Augen, sie lächelte gequält und trat durch die Tür nach draußen. Von drinnen war nichts mehr zu hören. Sie ging wie betäubt durch die leeren Gänge des Schiffes zu ihrem Büro zurück. Dort führte sie ihr Weg wieder als erstes zu ihrem Tisch um nach Nachrichten zu sehen. Und tatsächlich...
"Sie haben eine neue Nachricht erhalten."
Absender: Conan
Na endlich.
"Sehr geehrte Aretha,
Ihr Name ist mir nicht unbekannt. Auch Ihre Schwester kannte ich. Um auf Ihre Bitte zurück zu kommen: Wenn das Ihr Wunsch sein sollte, so werde ich ihn Ihnen erfüllen. Falls Sie es wirklich möchten treffen wir uns..."
Er gab ihr Koordinaten und eine Uhrzeit durch. Sie schickte eine kurze Bestätigung und schloss den Kanal anschließend.
Sie konnte das geschäftige Treiben auf dem Schiff hören, sah bereits einige Shuttle die VW Lupo verlassen. Um ihren Gedanken nicht wieder unerwünschten Nährboden zu geben, betrat sie die nun vollkommen leere Brücke, stellte sich an die Sensorik und ließ Weit- und Kurzstreckensensoren die Umgebung absuchen. Auf dem Schirm vor ihr blinkte es kurz rot auf. Es war die Tiger. Keine 2 Sektoren von ihr entfernt. Als sie einen Kanal zu Tiggy öffnen wollte musste sie erst mal suchen wo sie das denn tun konnte. Dieses Terminal war so ganz anders aufgebaut als ihr kleines im Büro oder in ihrem Quartier. Endlich hatte sie es gefunden.
"Tiggy, es ist soweit. Ich habe meine Crew beurlaubt, Izzy die Verantwortung auf's Auge gedrückt und ein Date mit Conan.", bei der letzten Äußerung lachte sie kurz auf, wurde dann aber sofort wieder ernst.
"Wir sehen uns dann also....", sie hob kurz die Hand und schloss den Kanal.
"Computer, Kurs setzen auf den Mars mit optimaler Ankunftszeit 2020."
"Kurs gesetzt. Voraussichtliche Ankunftszeit 2018."
Sehr gut, dann mal los.
Während dessen auf der Sibirischen Tiger.
Tiggy du dummes Ding, du kannst sie doch nicht alleine lassen? Was hält dich noch hier? Kein dich liebender Ehemann, keine Familie, nur Aretha die für dich die Familie ersetzt.
Tiggy schlug mit der Faust auf die Armlehne ihres Kommandosessels und stand auf.
"Sina, ich werde mich Aretha anschließen. Ich gehe mit ihr.", ohne Sina's Reaktion abzuwarten tippte sie ihr Com an.
"Hier spricht der Captain. Sie sind ab sofort alle im Urlaub. Ich möchte sie bitten, das Schiff sofort zu verlassen! Ich wiederhol: verlassen sie dieses Schiff und begeben sie sich in den Urlaub. Ich danke für die Zusammenarbeit."
Um nicht mit Fragen gelöchert zu werden, drückte sie Sina einen Kuss auf die Wange und verschwand in ihrem Büro, das ähnlich hinter der Brücke gelegen war wie Aretha's. Sie verriegelte die Tür, riss sich das Com vom Ärmel und warf es in die hintere Ecke des Raumes. Tiggy stellte sich, mit den Armen hinterm Rücken verschränkt an das Fenster des Büros und starrte hinaus in die Sterne. Gedankenlos ließ sie die Zeit verstreichen und als es ruhig wurde auf dem Schiff, die aufgeregten Schritte und Rufe nicht mehr zu hören waren, ging sie auf die Brücke. Im Gegensatz zu Aretha kannte sie sich dort sehr gut aus und suchte nach der VW Lupo. Als sie sie fand war sie bereits schon an der Blackstar-Passage ins Sol.
Mist, was soll ich denn jetzt machen?
Sie wollte Aretha nicht bitten ihr diese Frage zu beantworten. Diese hätte ihr ja sowieso nur gesagt, dass sie das nicht möchte. Doch hier ging es nicht mehr um Aretha, nicht um die Lights, nicht um die Clanpolitik. Hier ging es allein um sie. Ihr wurde klar, dass sie weg lief. Vor dem Problem Saleph.
"Computer, öffne eine Videoübetragung zu Conan auf der GRSS Overkill."
"Verbindung steht."
Auf dem Bild konnte sie einen Mann mittleren Alters erkennen der einen ernsten Gesichtsausdruck trug, der keinerlei Gefühlsregung oder Überraschung preisgab.
"Guten Tag. Ich weiß, dass sie sicherlich überrascht sind. Meine Leaderin, Aretha, hat sie in den letzten Tagen um einen Gefallen gebeten. Da ich sie diesen Schritt nicht alleine gehen lassen will möchte ich sie nun um das Gleiche bitten.", es brachte ja nichts, um den heißen Brei herum zu reden. Um ihre Nervosität zu verbergen steckte sie sich die Hände in die Hosentasche ihrer Jeans damit sie nicht mit ihnen umher zappeln konnte. Außerdem gab ihr diese Haltung eine Gelassenheit, dessen war sie sich bewusst und empfand es für dienlich. Immerhin würde er so vielleicht nicht merken, wie angespannt sie war.
Auf dem Bildschirm konnte sie sehen, wie sich eine schlanke gut manikürte Frauenhand besitzergreifend von hinten über die Schulter ihres Gegenüber legte. Mit einer unwirschen Handbewegung Conans verschwand die Hand wieder ruckartig.
+f=#blue."Nun ja, ich selber kann diese Aufgabe nicht übernehmen. Stellen Sie Ihr Schiff 2020 am Mars ab. Ich werde meiner Kollegin Bescheid sagen, so dass sie sich darum kümmern kann."
Meine Güte, wie schnell ging das denn?
Tiggy murmelte ein Dankeschön und schon war der Kanal wieder geschlossen. Als sie dem Schiffscomputer die Routenberechnung überließ stellte sie jedoch fest, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen könnte. Eine weitere Nachricht an Conan regelte dann auch dieses Problem schnell. Es überraschte sie zwar, aber es lenkte sie gleichzeitig von ihrem innerlichen Flattern ab.
So kam es, dass sich zwei Kreuzer der Northern Lights kurz vor 2020 im Sol aufhielten.
Die Zeit verstrich unheimlich schnell, Tiggy war schon auf dem Weg zum Shuttlehangar, als sie unterwegs noch einmal kehrt machte und zurück zu ihrem Büro rannte, um ihr Com zu holen. Als sie dann schon im Laufschritt zur Rampe unterwegs war aktivierte sie es und versuchte Aretha zu erreichen. Eine Weile kam keine Reaktion...
Auf der VW Lupo indes hatte sich Aretha in ihren Kommandosessel gesetzt und sah den Mars vor sich. Sie ließ es zu, dass das Planetenschutzfeuer ihrer Lupo Schaden zufügte, genug, damit Conan es auch wirklich schaffen würde. Sie hörte zwar das Piepen ihres Coms, versuchte jedoch es zu ignorieren. Plötzlich erschien statt des Mars' Tiggy auf dem großen Sichtschirm. Sie konnte erkennen, dass sie sich in einem Shuttle befand.
"Aretha, was machst du da? Die Zeit ist fast ran. Sieh zu, dass du das Schiff verlässt.", Tiggy war sichtlich gestresst und unangenehm überrascht, Aretha auf der Brücke zu sehen.
"Tiggy, das verstehst du nicht. Sei mir nicht böse, aber ich werde das Schiff nicht verlassen."
"Mach nicht so einen Scheiß. Komm schon! Ich habe beschlossen mich dir anzuschließen und werde ebenfalls mein Schiff zerstören lassen."
Arethas Augen weiteten sich vor Entsetzen.
"Dann los, verlass die Tiger."
"Ja, sobald ich weiß, dass du auch weg und in Sicherheit bist. Ich nehme an, Conan weiß nichts davon, dass du noch hier bist."
Wortlos schüttelte Aretha den Kopf. Dann legte sich ein trauriger Ausdruck auf ihr Gesicht, sie senkte den Blick und schloß die Verbindung. Die Uhr schlug 2020...
Auf der Tiger versuchte hingegen Tiggy verzweifelt, Aretha zu erreichen, sie von diesem wahnwitzigen Unterfangen abzubringen. Sie konnte jedoch keine Verbindung zu ihr aufnehmen und vergaß überdies die Zeit. Auch hier schlug die Uhr 2020...
Mit der ersten Sekunde, die 2020 überschritt, schlugen an zwei verschiedenen Orten die Torpedos und Tachyonenemitersalven zweier Zerberi ein.
Tiggy wurde nach hinten geschleudert und verlor das Bewusstsein. Sie nahm die Überlastung des Antriebs nicht wahr.
01.02.2366 20:20 Uhr Janine Carpenter auf der GRSS RENEGADE hat soeben das Schiff Sibirischer Tiger von Tiggy Tigress im Sektor Angel-Passage zerstört
Aretha indes setzte sich gerade hin, sah den Zerberus auf sie zufliegen und die Torpedoschächte öffnen...
Danke dir!
01.02.2366 20:20 Uhr Conan auf der GRSS OVERKILL hat soeben das Schiff VW Lupo von Aretha am Planeten Mars zerstört
Einen Wimpernschlag der Zeit später war ein zweites Leben unbemerkt erloschen.