<unknown> schrieb am 27-07-2004 23:58:08 :
Anklage
Es war das erste Mal, dass ich in der riesigen Gerichtshalle von Cera Miseri saß. Die großen Bögen an der Decke, die roten Tücher, die von den Wänden herabhingen, und die massiven Säulen strahlten ein leicht antikes, römisches Flair aus. Nicht ganz hinein in dieses Bild passten die überall herumschwirrenden Antigravkameras, die hellen Scheinwerfer und die unzähligen schwer bewaffneten Sicherheitskräfte. Immer wenn man auf ihre durchschlagskräftigen Impulsgewehre schaute, überfiel einen das Gefühl, hier sicher zu sein.
Ein Gefühl, dass ich sehr nötig hatte. Ich war in meinem bisherigen Leben noch nie mit einer solchen Tatsache, wie sie heute hier verhandelt werden sollte, konfrontiert worden. Die Kaltblütigkeit der Tat und die Verworrenheit der Umstände lastete auf mir wie ein Frachtshuttle, dass man mir auf die Schultern gebunden hatte. Meine Blicke hasteten von links nach rechts, ich suchte vertraute Gesichter, fand annähernd alle Mitglieder des Konsortiums und viele Vertreter verbündeter Clans auf den für Besucher gekennzeichneten alten, schon leicht abgeschabten Sitzen vor. Plötzlich geriet Bewegung in die sitzende Menge.
Die große hydraulisch betriebene Eingangstür öffnete sich und die Anklägerfraktion betrat den Gerichtssaal. Als erstes schritt der Chefankläger des Konsortiums und neuer Ratsvorsitzender, Ian Stalker, auf seinen Tisch zu. Ich war geschockt, als er sich umdrehte. Das sonst so freundliche Gesicht des teilweise leicht chaotischem und immer ein Lächeln tragendem Mann war einem harten, undurchdringlichem und kaltem Gesicht gewichen, dass ich so noch nie an ihm erlebt hatte. Ich kannte diesen Mann schon mehrere Jahre und glaubte, alle Facetten seines Wesens gesehen zu haben, aber in diesem Moment erschien er mir wie ein Mensch, den ich zum ersten Mal traf. Inzwischen hatten auch die Richter den Saal betreten und entledigten sich ihrer Akten auf ihren Tischen, welche auf einem kleinen Podest standen. Der oberste Richter drückte auf einen kleinen Knopf, der ein in meinen Ohren infernalisch dröhnendes Geräusch, dass nur noch entfernt an ein leichtes Glockenläuten erinnerte, hervorbrachte.
Das Zeichen zum Beginn der Verhandlung. Der oberste Richter bat den neben ihm postierten Gerichtsdiener, den Angeklagten hereinzuführen.
Als B.Rooney den Saal betrat, traf er auf eine von Buhrufen und „Hängt ihn auf“-Schreien hervorgerufene Geräuschkulisse, die so laut war, dass der Richter erneut seinen Gong nutzten musste, um sich das nötige Gehör zu verschaffen und um Ruhe zu bitten. Hierauf verstummten die Rufe und B.Rooney wurde in energetischen Fesseln auf die Anklagebank geführt. Ian Stalker erhob sich, als er vom Vorsitzenden das Wort erteilt bekam.
Sein Gesicht hatte immer noch die unbarmherzige Miene inne, die mir einen Schauer den Rücken herunterlaufen ließ und Gänsehaut auf meinen Armen hervorrief.
Mit durchdringender Stimme begann er zu reden.
„Ich verlese nun die Anklageschrift.
B.Rooney, sie werden des Mordes an Saphira, Clanleaderin des Konsortiums freier Händler, welches ich vertrete, der Ausnutzung von internen Daten, Computermanipulation und des Hochverrats angeklagt! Die genaueren Details entnehmen sie bitte den vorliegenden Akten.
Ich möchte hier nur das grobe Geschehen darstellen. B.Rooney hat, aus welchen Motiven auch immer, mit Hilfe eines Hackerangriffes auf die Clanstation des Konsortiums die Umweltkontrollen des Sitzungsraumes, in dem sich die Clanratsvorsitzende Saphira zu diesem Zeitpunkt befand, manipuliert und ihr auf diese Weise den zum Atmen nötigen Sauerstoff entzogen. Des weiteren…“
In diesem Moment flog die Tür zum Sitzungssaal auf. Jemand musste sie noch mit seinem vollen Körpergewicht nach vorne gestoßen haben, denn eigentlich öffnete sie automatisch.
Mit energischem Schritt sah ich Goldmond durch die Türöffnung kommen. Ihr blondes Haar wehte ihr um die Schultern, sie sah in dieser Erscheinung aus wie ein Racheengel, der sich seinem Opfer nähert. Sie lief geradewegs auf das Richterpodest zu. Ian Stalker hatte inzwischen überrascht aufgeblickt und wirkte sehr überrumpelt und erstaunt darüber, dass seine Planung der Verhandlung nun garantiert nicht mehr funktionieren würde, wodurch sich seine Miene für wenigstens einige Sekunden veränderte.
Als Goldmond einige Meter vor dem Podest angekommen war, blieb sie stehen und fing an zu sprechen. Ich wartete gespannt ab…