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Wippenden Schrittes bewegte sich Kama Narek durch den schwach beleuchteten Gang auf Ebene 7, der ihr privates Quartier auf der Station mit der Erholungseinheit verband. Da derzeit niemand sonst Zugang zu dieser Ebene hatte, genoss sie das Gefühl, einem ungewohnten Laissez-Faire nachgehen zu können. Der dunktelblaue Seidenkimono, mit dem sie bekleidet war, vermisste im Gegensatz zu ihr den Gürtel, der ihn üblicherweise zusammenhielt. Mit sich trug sie in der linken Hand eine eisgekühlte Flasche Veuve-Cliquot Millésimes von der Erde und einen edlen Kristallkelch, in der Rechten ein leicht zerfleddert wirkendes Exemplar von Milan Kunderas "Die Leichtigkeit des Seins".

Das Schott zur Badezone öffnete sich mit einem kaum merklichen Zischen als sie sich näherte. Dahinter waberten schon einladenden Dampfwolken und sphärische Klänge, die ein aufmerksamer Hörer vermutlich in der Kategorie Ambient Jazz eingeordnet hätte. Entspannt kniete sie sich neben dem bereits sprudelnden Jacuzzi nieder, so dass der Kimono ihre darunter befindliche Nacktheit bloßlegte. Lächelnd stellte sie den Champagner und den Kelch in Reichweite ab, legte das Buch daneben und ließ die leichte Robe von ihren samtenen, braunen Schultern gleiten. Sie warf noch einen Blick aus dem Panoramafenster, das eine bezaubernde Aussicht auf Oya bot. Dann stieg sie zufrieden und mit einem wohligen Gesichtsausdruck in das warme Nass. Das Kribbeln zwischen ihren Zehen, die leicht salzig schmeckenden Dampfschwaden und das bestimmte Gefühl, dass alles Ungemach der Welt, die nun weit, weit weg lag, zweitrangig und ohne Bedeutung war, bestätigten erneut ihre Annahme, dass es nach einem anstrengenden Tag nichts besseres als ein heißes Bad gab. Abgesehen vielleicht von der begehrenden Hitze eines Mannes.

Mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund ließ sie ihre Gedanken schweifen. Ein Mann kam ihr fast unmittelbar in den Sinn. Sein markantes Gesicht, ja seine gesamte mysteriöse Erscheinung war in ihre Erinnerung unauslöschlich eingebrannt. Es schien ihr immer so, als ob er selbst im gleißenden Schein des Doppelsterns in einem seltsamen Schatten stand, aus dem seine dunkelgrünen Augen stechend und doch anziehend hervorblitzten. Seine starken Händen, die, wenn er lachte, sein hartes Kinn und die dabei erscheinenden Grübchen umspielten, weckten in ihr Regungen, denen sie sich in der Regel jedoch nicht hingab. Seine elegante, immer höfliche und betörend charmante Art im Umgang mit ihr. Sein Esprit und die innere Ruhe, die von ihm ausstrahlte und alles in seiner Umgebung erhellte.
Sie ertappte sich dabei, wie ihre Hand an ihrem Oberschenkel entlang glitt, ihren Weg zu einem nicht gesättigten Verlangen suchend. Ihr Herz pochte schnell in ihrer makelosen, zarten Brust, was nicht alleine auf die belebende Natur des Sprudelbeckens zurückzuführen war. Sie benetzte ihre trockenen Lippen und war bereit, tiefer in ihren süßen Tagtraum einzutauchen.

In diesem Moment quäkte der Lautsprecher aus einer entfernten Ecke des Raumes.
Eine persönliche Lieferung für Miss Narek ist eben eingetroffen. Hangar 4, Schleuse B.
Sie hatte vergessen, den Nachrichtendienst zu deaktivieren. So war es Joule, der Kommunikationsoffizier der "Solar Plexus", der sie aus ihre Musestunde riss.

Mit etwas weichen Knien entstieg sie genervt der Wanne und watschelte auf den glatten Marmorfliesen zur Gegensprechanlage. Auf dem Weg streifte sie den Kimono wieder über, den sie vorher elegant vom Boden eingesammelt hatte. Sich neben das eingelassene Mikrofon an die Wand lehnend, sprach sie mit so ruhiger Stimme wie möglich:
Wer oder was ist es?
Ein leichtes Vibrato ließ sich leider nicht vermeiden.
Bärbel's kleine Handelsgilde. Ein kleine Kunstpause folgte. Die Cheffin persönlich. Ich schätze, es handelt sich um eine Pflanze oder Blume.
Kama kräuselte leicht die Nase, wie sie es immer tat, wenn ihr etwas besonders suspekt war. Die Leiterin des bedeutensten Konkurrenzunternehmens im Eta-Carinae brachte IHR Blumen? Ein Abwerbungsversuch? Nein, unmöglich. Zu verschieden waren ihre Unternehmensphilosophie und Zielvostellungen. Ein Einschleimversuch? Nur wozu, zu welchem Zweck? Sie konnte sich nicht vorstellen, was sie zu bieten haben könnte, worauf BH scharf war. Sie beschloss, den Besuch und sein Mitbringsel selbst unter die Lupe zu nehmen.

Wenige Minuten später betrat sie in ihrem Freizeitanzug den Schleusenbereich. Bärbel blickte ihr freundlich entgegen, ein stilvoll verpacktes Etwas in den Armen. Als Kama auf sie zu schritt, legte sie alle Gelassenheit, die sie aufbringen konnte, in ihren Gang, in jede Faser ihres Körpers.
Sehr erfreut, Dich endlich kennenzulernen., sagte sie und erwiderte das Lächeln.
Die Freude ist ganz auf meiner Seite.
Hier, das ist für Dich. Du scheinst ja ziemlichen Eindruck gemacht zu haben. Hätte ich bei ihm nicht unbedingt gedacht.
Wieder ein Lächeln, diesmal eine winzige Spur süffisant. Die Händlerin der mittlerweile ganz und garnicht mehr kleinen Gilde glich dies jedoch mit einem aufmunterndem Augenzwinkern aus, bevor sie sich umdrehte und ohne ein weiteres Wort durch das breite Titantor verschwand.

Kama stand da wie versteinert, ein in bunter Folie und Tüll umhülltes Päckchen in den Händen. Immer noch leicht irritiert stellte sie es auf einem Tisch in der Nähe ab. Nach einem weiteren, prüfenden Blick begann sie damit, die erste Schleife zu lösen und nestelte sich zu dem geheimnisvollem Inneren vor. Schließlich gab die zarte Ummantelung eine wundervolle, violette Orchidee frei. Kama war entzückt. Ein wirklich bezauberndes Examplar, in prachtvoller Blüte verströmte es einen betörenden Duft, der verheißungsvoll ihre Sinne berrauschte.
Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf und schon durchwühlte sie die Verpackunsgreste. Voilà! Da war sie. Die Karte, die den heimlichen Verehrer enthüllen sollte.

Als sie die liebevoll kaligraphierten Zeilen las, sammelten sich aufgesparte Tränen in ihren Augen. Sie spürte nochmals das leise Stechen in ihrer Brust. Dann war es verschwunden.
Endlich.