Takeo Yamagashi [TM´K] schrieb am 04-05-2010 20:43:21 :
Neue und alte Bekanntschaften II
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In seinem Garten findet er jedoch nicht die Ruhe, die er sich erhofft und ersehnt hatte. Ganz im Gegenteil scheint die Stille und der Frieden, die hier herrschen, seine Gemütslage eher zu verschlechtern. Die unliebsamen Gedanken und Erinnerungen ziehen weit größere Kreise, wenn sie nicht auf Ablenkung von außen stoßen. Irgendwann jedoch zwingt er sich, dies alles zuzulassen und zieht sich widerstrebend aber schicksalsergeben in sich selbst zurück.
Dem neuen Stationsverwalter hat er ausdrücklich und mit überdeutlichen Worten zuverstehen gegeben, dass keinerlei Störung erwünscht sei. Als dann mit mal sein Intercom piept und ihn aus seiner Meditation reißt, muss er sich zusammenreißen, um nicht noch einen weitere Person mit einem gezielten Stoß ins Herz...
Er seufzt.
„Was?“ schnaubt er barsch.
„Sir, eine gewisse“, der Mann am anderen Ende hält inne und ein schwaches Murmeln ist im Hintergrund zu vernehmen, „Rahel Bachstein möchte umgehend zu Ihnen vorgelassen werden. Wie es scheint, hat Sie die Informationen über Ihren derzeitigen Aufenthaltsort von Ihrem Ersten Offizier erhalten.“
„Sagen Sie Miss Bachstein, dass ich sie nicht zu sehen wünsche.“
„Sir, mit Verlaub, die Dame hat recht, nun ja, stichhaltige Argumente, ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen.“
Als er das dezente Zittern in der Stimme des Verwalters hört, erscheint augenblicklich ein Bild von Rahel mit gezücktem Stilett und einem Gesicht, welches jedem Racheengel zur Ehre gereicht hätte, vor dem nervösen Herrn stehen.
Er seufzt erneut. „Lassen Sie sie vor.“
Das gehauchte „Danke, Sir.“ quittiert er nur am Rande.
Gerade erst ist er wieder in seinen schwarzen Pullover geschlüpft und hat seine Haare gelöst, welche er zusammengebunden hatte, als auch schon ein zartes Fiepen das Erscheinen der Rahel Bachstein ankündigt.
„Miss Bachstein, was führt Sie so überraschend zu mir?“ begrüßt er sie möglichst distanziert.
Ihr letztes Zusammentreffen ist ihm noch zu deutlich in Erinnerung. Auch, und gerade, der Moment, in dem er die Beherrschung verloren und sie zurück in den Raum gezwungen hat. Ihr passiver, um nicht zu sagen: nicht vorhandener, Widerstand hat ihn im Nachhinein zu einigen, eher unerfreulichen, Schlüssen kommen lassen. Es sieht dieser starken Persönlichkeit, die es gewohnt ist, Befehle zu geben und zielstrebig zu handeln, nicht ähnlich, sich dirigieren zu lassen. Dies allein legt den Schluss nahe, dass mehr dahinter steckte, als rückhaltlose Leidenschaft oder emotionale Bindung. Die erneute Erkenntnis, dass sie ihm seit jeher wichtige Informationen verschwiegen und ihn nur benutzt hat, hat sich im Laufe der letzten Wochen immer weiter in ihm ausgebreitet und einen bitteren Geschmack auf der Zunge hinterlassen, der es ihm jedes Mal wieder vergegenwärtigte, in welche Situation er sich hinein manövriert hatte.
„Ich denke, ich bin dir einige Erklärungen schuldig.“ Sachlich, als würde sie ihm die Ergebnisse einer Klausur auseinandersetzen, bringt sie ihr Anliegen vor. Dann schaut sie sich aufmerksam um und begibt sich zu einer nahegelegenen Steinbank, auf der sie sich niederlässt. Sie zupft an ihrer Uniform herum und richtet das Damast-Stilett richtig hin, dass es sie nicht beim Sitzen stört.
Skeptisch dreht sich Takeo in ihre Richtung und harrt der Dinge, die nun kommen würden. Würde er endlich Antworten auf seine Fragen kriegen und diesen bitteren Geschmack auf seiner Zunge durch weit angenehmere austauschen können?
„Setz dich.“ Einladend weist sie mit ihrer schlanken Hand auf den freien Platz neben sich.
„Ich ziehe es vor zu stehen.“
Sie zuckt gelangweilt mit den Schultern und erhebt sich, richtet erneut ihre perfekt sitzende Kleidung und sagt, als Reaktion auf seine hochgezogene Augenbraue hin: „Auf Augenhöhe.“ Dass sie fast einen Kopf kleiner ist als er, tut nichts zur Sache.
Sie wendet sich von ihm ab und schlendert, scheinbar gedankenlos, über die liebevoll angelegten Pfade zwischen all dem Grün seines Gartens. Wann würde sie endlich das Ansprechen, weswegen sie ihn aufgesucht hatte?
Als sie zu erzählen beginnt, hält er zeitweise unbewusst die Luft an. Teils aus aufsteigender Wut, teils aus purer Überraschung ob der „Offenbarungen“.
„[...] Verstehst du jetzt? Das Projekt Bachstein hat oberste Priorität. Wir sind keine Schwestern im herkömmlichen Sinne. Wir sind wesentlich mehr. Einander viel ähnlicher als Schwestern das je sein könnten.“
Er nimmt sich einen Moment Zeit, um zu antworten. Die drängenderen Punkte sind weiter ungeklärt.
„Was ist...“ Sie unterbricht ihn.
„...mit dir? Hast du es nicht längst erraten? Schon bei unserer ersten Begegnung sind uns gewisse Verhaltensweisen und Charakterzüge an dir aufgefallen. Wir hatten Grund zu der Annahme, dass dein genetischer Code passt, dass Du konditionierungsfähig bist, dass Du ein Bachstein hättest werden können. Der erste Versuch, der vielversprechende Pilot, den sie Gideon nannten...es ist schief gelaufen damals. Und du bietest nun das reine Basismaterial. Dank Dir kann Gideon, der Prototyp, wenn Du so willst, endlich einsatzbereit gemacht werden.“
Sie zögert fortzufahren, doch Takeo hat bereits begriffen.
„Daher also die Liquorpunktion. Um euren Vorgänger in Gang zu kriegen. Offensichtlich hat es geklappt. Seit Wochen schon kann man die Wege eines gewissen Gideon Bachsteins verfolgen.“
Sie scheint erfreut über seine schnelle Auffassungsgabe. Während sie leise lächelnd weiter schlendert, bleibt er immer weiter hinter ihr zurück. Nun hat er also seine Antworten. Alle, bis auf eine.
„Warum erzählst du mir das überhaupt? Nenn' es verletzter Stolz, aber ich finde auch die Tatsache, dass ich benutzt wurde, nicht wesentlich besser als die bloße Vermutung. Willst du damit dein nicht vorhandenes Gewissen rein waschen?“
Er weiß sehr wohl, dass er damit mehr von sich selbst offenbart, als ihm lieb sein kann. Doch er hatte sich zu lange in die Irre führen lassen. Damit soll jetzt Schluss sein. Er muss lernen, seinen Triebinstinkten wieder Herr zu werden und sich selbst wieder besser in die Gewalt zu kriegen. Er schließt kurz die Augen, atmet tief ein und sehr langsam wieder aus, konzentriert seine Energien auf die wesentlichen Punkte. Dann öffnet er die Augen wieder und legt alle Abscheu in seinen Gesichtsausdruck und seine Stimme.
„Diesmal meine ich es ernst wenn ich sage: geh! Du hast mich lange genug an der Nase herumgeführt und benutzt. Verlass mein Leben. Um ein Haar hätte ich mich für dich gehen lassen. Es wird Zeit, dass ich wieder ich selbst werde.
Ich danke dir für deine, wenn auch recht späte, Offenheit, und wünsche dir und deiner Schwester alles Gute bei der Erreichung der perfekten Bachstein-Konditionierung. Auf Wiedersehen.“
Daraufhin dreht er sich um und verlässt schnellstmöglich, ohne dabei zu rennen, seinen Garten. Er würde ihn einebnen lassen. Und nur sich selbst gesteht er ein, wie kurz davor er war, sich selbst zu vergessen, in jeder Hinsicht. Er musste das, was sie willentlich oder unwissend in ihm freigesetzt hatte, wieder einschließen. Und nicht einmal sich selbst gesteht er ein, wie schwer ihm dieser Schritt fallen wird.