Rokoko schrieb am 14-05-2010 0:25:30 :
Geschäfte I
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Rokoko schlich die Strasse entlang. Ihr langes schwarzes Haar war von der Sonne aufgeheizt und hing ihr trostlos übers Gesicht, um mit den blaugefärbten Spitzen ihren Hals zu kitzeln.
Es war Sommer. Zumindest hier in Elabinar, eine der vielen grauen Industriestädte am südlichen Rand des Arinorgebirges.
Es war staubtrocken und selbst bei den wenigen Palmen am Strassenrand hingen die Wedel traurig nach unten. 2500 Meilen vom nächsten Raumhafen auf Cana Merotheus entfernt, war sie mit der Gebirgstransitbahn hierhergekommen. Direkte Expressverbindung alle 15 Minuten, die meisten Bahnen waren allerdings Erz und Stückguttransporte zu den Fabrikstädten hier bei den grössten Titan- und Molybdänlagerstätten des Planeten. Die Schwebervermietung war 250m vom Bahnhof entfernt.. eine Ewigkeit.
Das Geschäft lief gut. Weltraumschrott in grossen Mengen war gesucht, und Rokoko wusste, das sie Spitzenpreise verlangen konnte. Besonders, wenn sie gleich ins Hinterland lieferte, statt am Raumhafen das Zeugs an eine Maklerfirma zu verscherbeln.
Es fing alles bei diesem Gnorkkampf an. Mein Vetter hat eine Vorliebe für Veranstaltungen dieser Art, je illegaler, um so besser.
Ich sagte selten nein. Manchmal gewann ich tatsächlich eine Wette und es war einfach prickelnd, mit dem rosa Spitzenschleier durch die Menge zu schlendern. Viele erkannte ich trotz ihrer Masken. Aber wer wollte schon wirklich unerkannt bleiben – es war einfach ein Spiel. Ich trug passend zum Schleier ein hellrosa Spitzenoberteil überm schwarzem Body und den schwarzen Hosen.
Die Leute waren so stupide.. genau wie früher mein Kindermädchen. Diese trug helle Farben, wie es sich für die niedrigen Klassen gehörte, und allein um sie zu ärgern wollte ich damals auch. Kein Schwarz! Hellblau! Ich träumte von hellblau, so blau wie der Himmel auf diesem Ölgemälde mit dem weissgoldenen verschnörkelten Rahmen im Büro meines Vaters.
Dieses ewige Schwarz der Aristrokatie war unglaublich langweilig und altmodisch. Meine Mutter sah immer fürchterlich bleich darin aus, bis sie eines Tages nicht mehr heimkam. In der Woche danach trugen wir alle weiss! Herrliches Weiss - bis mein Kindermädchen mir eine runterhaute, weil ich mich über das weiss freute.
Schwarz, alles schwarz waren die Kleider der grossindustiellen Aristofamilien auf Cana. Und hier beim Wettkampf waren die Kleiderfarben so dunkel, wie sich die Leute nur trauten.. mit ihren Augenmasken. Als ob man plötzlich adlig würde, nur weil man schwarz trug. Meine Schwester Jabella trug natürlich immer schwarz. Sie studierte Politikwissenschaften, nicht Wirtschaft, wie ich. Sie war wohl der Meinung, damit könnte sie mich einies Tages ausstechen und den Familiensitz im Rat bekommen.
Rokoko schnaubte. Es waren noch 15 Minuten bis zum Beginn des Wettkampfes und mein Vetter schmuste in irgendeiner Ecke mit einem von den Mädchen rum. Ich schaute mich um, aber konnte keinen meiner Freunde entdecken. Morgen würde dies hier wieder eins dieser langweiligen klassischen Theater sein, Stücke von Kantaroon, Shakespeare und wie sie alle hiessen. Heute war die vordere Bühne abgesenkt und mit einem Bretterverschlag ausgekleidet, so das man gute Sicht von schräg oben hatte, besonders von den Rängen aus. Hinten auf der eigentlichen Bühne waren die Gnorkbesitzer und Tierbändiger dabei die heutigen Favoriten bereitzumachen. Und in der Mitte war natürlich Platz für den Entertainer, der würde dort gleich seinen Auftritt haben.
Mein Blick fiel auf einen Mann, welcher grade durch den Eingang geleitet wurde. Er trug schwarz, was ihm schon mal meine Verachtung einbrachte, aber interessanterweise keine Maske. Seine schwarzen Haare fielen ihm über das Gesicht und er hatte eine seltsame Gangart. Ich war mir sicher, er gehörte trotz der schwarzen Kleidung zu keiner der Familien.
Wie geschmeidig er ging! Fasziniert starrte ich ihn an, bis mich wer in den Rücken rempelte, und ich meinen Ellenbogen mit Schwung in Einsatz brachte, was ein befriedigendes Ächzen hinter mir auslöste. Der Mann war weg! Ich erinnere mich nicht mehr, was ich dem Typen hinter mir noch ins Gesicht schleuderte, auf jeden Fall wurde er ziemlich bleich, was ein gewisser Ausgleich war.
Ich musste diesen Mann von nahem sehen! Da der nächste Wettkampf gleich angesagt werden würde, war ich mir ziemlich sicher, das das kein Problem sein würde.
Hier kam niemand rein oder raus, bevor die Veranstaltung gelaufen war. Ich hatte also noch eine Stunde Zeit ihn zu finden.
Er war bestimmt ein Ausserplanetarier. Es kamen selten Leute von ausserhalb des Planeten zu den Wettkämpfen, das Sicherheitsrisiko war einfach zu gross.
Er musste also in Begleitung von Jemandem hier sein. Von jemand Einflussreichem. Die Wettkämpfe wurden recht häufig genutzt, um ungestört Geschäfte abzuwickeln. Geschäfte der anderen Art.
Ich arbeitete mich in Richtung Privatlogen vor. Die Wächter vor den Logen wurden direkt bezahlt, da hatte ich keine Chance.. Aber der Platzwart könnte unter Umständen einer kleinen Bestechung zuträglich sein, falls es nötig wurde.
Ich wartete erstmal ab. Da ich mit meinem Vetter selbst einen Platz in der Loge hatte, hatte ich dort Zutritt und lungerte im Entreé umher, schnupperte an den dort zur Deko plazierten Fresien, warf den Leibwächtern herausfordernde Blicke zu, nutzte den Spiegel, um mein Makeup zu erneuern.. was man eben alles so machte, damit einem niemand freundlich klarmachte, das es unerwünscht war im Privatbereich länger rumzustehen.
Und ich hatte Glück. Ich lehnte mich also an die nächste Säule, siegesgewiss, das er direkt neben mir vorbeikommen müsste, die erste Loge gleich am Eingang würde niemand nehmen, der heisse Geschäfte mit ausserhalb unterhielt.
"Hi der Herr, auch auf Tuffi die Wildsau gewettet?"
Sein Blick streifte meinen, ich war gebannt. Er hatte eine riesige hässliche Narbe auf der linken Gesichtshälfte, seine glatten schwarzen Haare fielen darüber, zumindest teilweise.
Aber sein Blick! Ein Schauder lief meinen Rücken hinab. Schwarz und tief wie ein Abgrund. Aber durchaus anziehend.. ob er Japaner war? Ich hatte da mal einen alten Film gesehen und wo er wohl diese Narbe herhatte, ob er Soldat war? Wie romantisch!