Martin Connor (*) schrieb am 25-07-2010 22:20:20 :
Marktsonntag
Es war kalt, verdammt kalt. Das war das Erste, das Martin Connor auffiel, als er auf den Vorplatz des großen Raumhafens vor dem Renöd-Center in Miseri trat. Er schaute sich kurz um, nichts war ärgerlicher als von den Lakaien des Bürgermeisters gesehen zu werden, bevor er sich eine Zigarette anzündete. Das sich Miseri als größte Stadt des Planeten selbst verwaltete und sich nicht dem Diktat der Demokratisch gewählten Regierung unterwarf hatte Vor- und Nachteile. Das strikte Rauchverbot unter der Kuppel war so ein Störfaktor, aber abgesehen von den privaten Sicherheitskräften der regierenden Elite scherten sich die Bewohner Miseris nicht sonderlich um die kleinlichen Gesetze der Stadtverwaltung. Das Leben hier auf den Straßen war ein anderes, und die Nomaden und weiteren Händler des Systems die einmal im Monat zum Markt kamen interessierten sich sowieso nicht für die Regeln.
Martin nahm ein paar nervöse Züge von seiner Zigarette und blickte in den unter der Kuppel der Stadt gläsern wirkenden Nachthimmel. Es war früh am Morgen. Die Sonne würde bald aufgehen und mit dem Sonnenaufgang würden die Händler kommen, und der hektischste Tag des Monats würde beginnen. Mit den geübten Augen eines ehemaligen Straßenkindes begann Martin die langsam eintreffenden Händler zu scannen. Bis jetzt war noch nicht viel los und abgesehen von den Agrarhändlern des Systems ließen die meisten noch auf sich warten. Er brauchte fünf Frachtshuttle, abseits der offiziellen Kanäle und doch mit gültigen Visen für den interstellaren Raumverkehr, lange hatte er dafür gespart. Jetzt musste er noch den passenden Händler finden.
Das Renöd-Center war stickig und heiß, Martin war nun schon einige Stunden in dieser übervollen Kathedrale der Marktwirtschaft unterwegs, aber bisher hatte ihn noch keines der Angebote, die ihm im Vorbeigehen zugesteckt oder in schmutzigen Ecken zugeflüstert worden waren, überzeugt. Jetzt stand er im schäbigen Hinterzimmer einer, nur zum Markt geöffneten, Nomadenkneipe. Martin musste sich ein Grinsen verkneifen, als der untersetze Turbanträger, der ihn grade von seiner Ware überzeugen wollte, nicht auf die strukturellen Schwächen ebendieser zu sprechen kommen wollte. Martin riss sich zusammen. Nicht die richtige Umgebung um smart zu sein, dachte er sich und verabschiedete sich mit dem Versprechen über das Angebot nachdenken zu wollen.
Die Suche nach der richtigen Hehlerware war immer ein kompliziertes Unterfangen, denn weder der aktiv Suchende noch der normale Marktbesucher durfte sie finden. Es war immer ein Spiel, eine Mischung aus Zurückhaltung und dem subtilen anklingen lassen der eigenen Intentionen. Augenkontakt war wichtig, die Händler nach denen Martin Ausschau hielt hatten alle Läufer auf dem Markt um das gesuchte Publikum zu ihnen zu leiten. Gelassen schlenderte Martin durch die Menschenmengen. Für einen erfahrenen Schwarzmarkthändler ist es jedoch nicht allzu schwer, die probenden Blicke anderer "Besucher", die sich mehr für die Kunden, als die Ware interessieren, ein kurzes Nicken hier oder eine kleine Handbewegung dort, zu erspähen.
Martins Blick blieb an einem der Türsteher für einen der privaten Clubs hängen. Den Pappenheimer kenne ich doch, dachte sich Martin, als er lächelnd auf die alte Bekanntschaft aus schlechteren Zeiten zu schritt. Läufer schön und gut, dachte er, aber nichts ist doch aussagekräftiger als der loyale, weil gut bezahlte, Kriminelle an der Tür. „Tom altes Haus, du kannst mir doch sicherlich weiterhelfen." Martin lachte dem Hünen der abfällig auf ihn hinunterschaute ins Gesicht. "Maul halten! Mitkommen!" zischte Tom sichtlich genervt, und öffnete die Tür.
"Boss!? Kundschaft." für einen Mann von Toms Statur war seine Stimme in diesem Moment verdammt leise bemerkte Martin Da schwingt viel Respekt und Angst mit drin beeindruckend, dachte Martin und nahm sich vor es beim Feilschen definitiv nicht zu genau zu nehmen, während er seine Augen durch den Raum gleiten ließ. Bei jedem Schritt auf den alten staubigen Teppichen stiegen ihm die Dämpfe vergangener Exzesse in die Nase. Einige wenige Konserven standen in den von Würmern angefressenen Holzregalen So so, dachte sich Martin, hat jemand die örtliche Drogenstube umfunktioniert.
Tom war mittlerweile am Tresen vorbei, in einen von einem Vorhang verdeckten zweiten Raum verschwunden. Leise Stimmen waren zu vernehmen und Martin war nicht ganz wohl in seiner Haut. Könnte Kalkül sein, ist wohl ein Profi, dachte Martin abgelenkt, während er versuchte einen Blick zu erhaschen. Einige Sekunden später wurde der Vorhang beiseite gezogen und Tom winkte Martin herbei.
Ihm war plötzlich kalt geworden, bemerkte Martin als er fünfzehn Minuten später wieder in das Getümmel im Renöd-Center eintauchte. Der Mann der hinter dem Vorhang auf ihn gewartet hatte, hatte nicht viel gesagt. Er hatte sich angehört was Martin brauchte und anzubieten bereit war, bevor er ihm mitgeteilt hatte sich noch am gleichen Abend in einer Lagerhalle in Rax einzufinden, wo er von einem Partner erwartet werden würde. Was Martin jetzt noch frösteln ließ, war die unerklärliche Aura die von dem fremden Händler ausging. Eigentlich war er komplett unauffällig gewesen. Ein Gesicht das man wieder vergaß, keine hervorstechenden körperlichen Eigenschaften. Doch war in jedem Moment klar gewesen wer hier die Fäden in der Hand hielt. Martin war beeindruckt. Wenn die ausserplanetarischen Piraten im All alle so sind haben wir noch einen langen Weg vor uns, dachte er sich leicht ernüchtert, während er vor das Renöd-Center trat und sich auf den Weg zu den planetaren Personenshuttles machte um nach Rax zu kommen.
Wer die Bewohner von Rax als Cera Miserischen Bodensatz bezeichnete war noch freundlich zu diesem gottverlassenen Ort. Alleine nicht stark genug um sich als autarke Stadt selbst zu verwalten, reichte der Einfluss der Regierung des Planeten hier bei weitem nicht. Es gab keine Privatarmeen der reichen Elite, es gab – gut bewaffnete – Banden. Das Personenshuttle mit dem Martin sich von Miseri auf den Weg gemacht hatte, war grade erst angedockt, als der Spaß auch schon losging.
Eine Gruppe bewaffneter Zöllner machte sich daran die Einfuhren zu kontrollieren und ihre horrenden Schutzzölle einzutreiben. Martin kannte das Spiel schon, und setzte sich lächelnd auf die hinterste Bank im Shuttle. Bis die Zöllner bei ihm waren war das Shuttle leer. Der Chef der Bande kam auf ihn zu. „500 Credits sagen, sie waren nie hier.“ Er zwinkerte Martin zu, der schmunzelte. „250 Credits behaupten, ich bin heute Abend auch wieder weg.“ meinte Martin nur während er das Bestechungsgeld aushändigte. „Ich wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt.“ Der Zöllner deutete ihm mit einer Handbewegung den Weg Richtung Innenstadt.
Rax war dreckig, Straßenräumrobotor schien es nicht zu geben, die Luft unter der Kuppel war stickig obwohl es verdammt kalt war. Junkies und Obdachlose waren hier an der Tagesordnung und es dauerte nicht lange bevor ein bemitleidenswert aussehender Junge von vielleicht fünfzehn Jahren ihm seine Dienste als Führer anbieten wollte. „Sir, Sir. Kann ich ihnen vielleicht den Weg weisen? Sir?“ Martin seufzte, er kannte Rax und brauchte keinen Führer, doch Jungs wie dieser waren penetrant und er wusste das sie das Geld nötig hatten. Martin blieb stehen. „Wie wäre es damit, Ich gebe dir 20 Credits und du nervst jemand anderen.“ „Absolut Sir, Danke Sir.“ Der Junge gesellte sich wieder zu seiner am Straßenrand hockenden Gruppe und zeigte das Geld herum. Martin musste wie immer lachen angesichts der falschen Freundlichkeit. Er selbst hatte lange genug mit seinen Freunden genau so seine Zeit auf der Straße verbracht.
Er atmete tief durch und machte sich weiter auf den Weg zu der Lagerhalle in der, so hatte der Händler in Miseri behauptet, die Schiffe auf ihn warten würden.
„Wow!“ War alles das Martin rausbekam, als er die Lagerhalle im Industrieviertel der Stadt, hier roch es noch um ein vielfaches bescheidener, betrat. Fünf Frachtshuttle standen dort, wie vereinbart. Der bärtige Mann mit starkem Corrhelischen Akzent nickte nur zufrieden, während er Martin beobachtete. „In bestem Zustand sind die nicht mehr“, meinte er mit einem abfälligen Wink in Richtung der Schiffe. „Die strukturelle Beschaffenheit ist 50%, aber die Hüllen sind in bester Verfassung. Was besseres gibt es nicht für den Preis.“ Er schien stolz darauf zu sein. „Die Papiere liegen im Handschuhfach.“ Martin schaute verdutzt während der Bär aus Corrheli lauthals über seinen eigenen Witz lachte. „Handschuhfach? Haben wir das Jahr 2300?“ „Ist ja gut, gib mir das Geld und du bekommst den Lagerschlüssel sowie die Papiere.“ grummelte der Mann.
Zwei Stunden später, Martin war mittlerweile alleine in der Lagerhalle und hatte die erste Begutachtung der Schiffe grade abgeschlossen, schien alles in bester Ordnung zu sein. Die Struktur war zwar wirklich etwas angegriffen, aber das war nichts, was von Bedeutung wäre. Langsam fuhr er über die Armaturen des Cockpits seines neuen Schiffes. „Endlich! 12 lange Jahre voller Entbehrungen, nur um an Schiffe zu kommen, haben ein Ende.“ Er seufzte.
Martin Connor war nie ein reicher Mann gewesen. Früh verwaist, hatte er auf der Straße gelebt bevor eine Gruppe miserischer Diebe, aufgrund seiner schnellen Finger, auf ihn aufmerksam wurde. Er hatte von kleinem Geld aus den Handtaschen der älteren Damen der Stadt gelebt, und gespart. Jetzt mit 24 war es endlich soweit. Martin strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht. Und hier beginnt meine Geschichte, dachte er sich, als er das erste mal den Motor anließ.