Aya (*) schrieb am 06-12-2010 21:49:18 :
Bei dem piepts wohl!
Ein lautes Knarzen verriet, dass irgendwo hinter Aya eine Tür geöffnet wurde. Doch als sie sich rasch aufzusetzen versuchte, legte sich ein dunkler Schleier vor ihre Augen. Sie musste mehrmals die Augenzusammenkneifen, ehe er verschwinden wollte und da stand er auch schon vor ihr. Er – das war ein älterer Herr. Auf einen braunen Stock mit Knauf aus Messing gestützt war er in einen weißen Anzug gekleidet. Feine Nadelstreifen zogen sich in senkrechten Linien überall über den Stoff. „Boah, das sieht mal scheiße aus“, war so ziemlich das Erste, was Aya durch den Kopf ging.
„Entschuldigen sie bitte, die etwas rüde Art und Weise mit der sie hier her gebracht wurden“, begann er mit einem freundlichen Lächeln: „Aber wir müssen die genaue Lage dieses Ortes geheim halten. Ich hoffe sie verstehen das.“ „Und warum haben Sie uns überhaupt erst hier her
gebracht?“, schoss es direkt von irgendwo kurz hinter Aya zurück. „Nun, wissen sie, wir haben eine gemeinsame Freundin… und somit auch gewisse“, in einer rhetorischen Pause begann der Mann überschwängliche Gesten mit seinen Händen zu vollführen, die wie Aya fand, den Mann einfach nur lächerlich wirken ließen: „gemeinsame Feinde, verstehen sie? Aber bitte, ich vergaß ganz mich vorzustellen. Mein Name ist Andretti, Cesario Andretti.“ Xenia hinter ihr war vollkommen auf diesen Andretti fixiert. Doch Ayas Aufmerksamkeit, die gerade bei längeren Gesprächen eine eher kurze Halbwertszeit hatte, wurde plötzlich von etwas anderem auf sich gezogen. Als sie zwischen den samtenen Vorhängen hinaus in die weiße Winterlandschaft spähte, fiel ihr diese nahezu unsichtbare Gestalt auf. Wie als wenn sie ein natürlicher Bestandteil dieses Gartens wäre wehte sie zu von einem Busch zum nächsten, dann zur Statue einer nackten Frau – wäre das nicht ziemlich kalt da draußen? – und schließlich weiter unsichtbare Pfade entlang ins Sichtfeld des folgenden Fensters immer näher auf das Gebäude zu. Kurz bevor die Gestalt das Haus erreichte und somit Ayas Blickfeld verließ, konnte Aya noch die Impression von bulldogenartigen Gesichtszügen und kurzen roten Haarsträhnen erhaschen.
„… Essen.“ Essen? Ihr Magen bestätigte die Funktionstüchtigkeit ihrer Ohren mit einem lauten Knurren. „Wie sie sehen, Fräulein Xenia, ist ihre Begleiterin ganz meiner Meinung“, kommentierte Andretti mit einem dezenten Lachen: „ich lasse Sie dann in ein paar Minuten zum Essen abholen.“ Mit diesen Worten ließ er sie alleine in dem durchaus luxuriös anmutenden Raum. „Also, was hältst du von dem Kerl, Aya?“, fragte Xenia frei heraus. „Uhm, er hat einen schlechten Geschmack, was Anzüge angeht, Frau Xenia“, antwortete sie ehrlich. Xenias Gesichtsausdrück schwankte irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und starker Erheiterung. Letzteres setzte sich dann in einem sanften Lächeln durch. „Komm, wir sollten hier verschwinden, ehe sie uns zum Essen abholen – wer weiß, vielleicht sind wir sogar das Hauptgericht“, fuhr Xenia ernst fort. Ein schrecken fuhr über das Gesicht der jungen Frau. Kannibalen? Schon wieder?! Erst dieser Blake und nun…? Egal! Sie musste da durch. Irgendwie. Unverdaut. Schließlich brachte sie ein knappes Nicken zu Stande und erhob sich vom Bett. Nur… wo waren Ihre Schuhe? Weder vorm Bett, daneben, noch darunter. Gleiches bei Xenia. Ihre Blicke trafen sich quer über dem Bett. Irgendjemand wollte wohl wirklich nicht, dass sie sich weit auf eigene Faust bewegten.
Auf leisen Strümpfen verließen die beiden den Raum, hinaus auf einen langen, mit Teppich ausgelegten Korridor. Die Wände waren alle hell und mit allerlei Möglichen seidenen Vorhängen und Teppichen behängt. Ob sie hier in so einer Art Palast waren? Was für Leute Oxana nur kannte! Auch wenn sie Kannibalen waren. Mit schlechtem Kleidergeschmack. Aya war bemüht sich dicht und leise hinter Xenia zu halten. Xenia schien deutlich besser mit dieser Situation klarzukommen als sie selbst. Wie immer eigentlich. „Ahg!“, stieß die junge Frau leicht auf, als sie Xenias leicht gebeugtem Rücken kollidierte und sich so auf die Zunge biss. „Pssscht!“, kam es von vorne. Xenia hatte ruckartig vor einer breiten, hölzernen Doppeltüre angehalten. Ein imposanter großer Fisch mit merkwürdig verformten Flossen war in je eine der beiden Türen eingeschnitzt. Wer auch immer hinter dieser Tür saß – der war auf jeden Fall wichtig. Vorsichtig drückte Xenia ihr Ohr an die Tür und verharrte da. Irgendetwas Wichtiges musste darin vorgehen. Und irgendetwas verdammt ausführliches noch dazu, da Xenia eine gefühlte Unendlichkeit so verharrte. Ayas Sinne begannen unterdessen wieder abzuschweifen. Da! Am Ende des Korridors!
Ein vorbeihuschender Schatten! Die Gestalt von draußen! Ganz sicher! Ayas Blickt pendelte zwischen dem Korridor und Xenia vor ihr. Dann fasste sie einen Entschluss. Leise und ganz unauffällig – die Blumenvase, die sie beim Wenden mit dem Po umschmiss, konnte sie noch rechtzeitig auffangen – entfernte sie sich von Xenia und ging den Gang hinab. An der Ecke angekommen sah sie – nichts? Naja, gut, nichts war untertrieben. Es fand sich ein weiterer Gang sich sowohl nach rechts und auch nach links erstreckend. Eine einsame Kommode stand in der einen Richtung neben… neben einer kleinen Pfütze? Stets darauf bedacht, dass sie niemand bemerkte, schlich den Korridor zu ihrer rechten herab. Tatsächlich. Piep. Vor der Kommode war der Boden nass. Piep. Eine dunkle Pfütze zog sich quer über den – Piep - Teppich zum Fenster. Hey! Das war der – Piep - Garten, den sie von ihrem Zimmer aus hatten sehen können. Piep. Irgendwas stimmte hier – Piep – nicht. Irgendwas – Piep – gehörte hier nicht her. Piep. Wenn sie nur richtig nachdenken – Piep – könnte! Aber dieses ständige leisen Piepen machte das - Piep – unmöglich! Moment. Piep. Was war das überhaupt für ein Piepen? Es kam von unter der - Piep – Kommode… Aha! Ein in eine dunkle Decke eingewickelter Kasten. Ziemlich unspektakulär. Einzig das kleine rote Licht, dass immer zu dem Piepen aufleuchtete, lockerte das ganze etwas auf. Zudem, dass es immer schneller piepte und leuchtete. Merkwürdiges Teil. Sie sollte es vielleicht besser Frau Xenia zeigen.
Leise begab sich Aya zurück an die Kreuzung. Xenia hockte noch immer vor der Tür und lauschte. „Frau Xenia“, flüsterte Aya leise – keine Reaktion. „Frau Xenia!“, flüsterte sie dieses Mal etwas lauter – keine Reaktion. „Frau Xenia!“, rief sie nun schon fast ehe sie endlich reagierte. „Schau dir das hier mal an! Das lag da vorn!“, fuhr Aya in gleicher Lautstärke fort, während sie auf das Ding unter ihrem Arm deutete.