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es war einmal...

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Nemain Naraikina schrieb am 19-10-2003 7:54:02 : Ende... oder erst Anfang vom Ende?
„Da ist es wieder. Ich spüre es. Mein Bewusstsein. Ich fühle seine Existenz, ich bemerke, wie es sich langsam klärt, wie es seine Fühler ausstreckt, hinein in das, was „außen“ ist, in die Realität.

In die kalte Realität. Die nackte Wahrheit, einmal wahrgenommen – skrupellos, hart und allgegenwärtig. Kein Versteck weit und breit, keine Zuflucht, kein Entkommen.

Und Ich ein Teil davon, mittendrin. Ich will wieder zurück, fort von hier, zurück zu mir selbst, zu meinem Ich, zurück in die Geborgenheit meiner kleinen eigenen Welt.
Sie funktioniert tadellos, bietet alles was man sich wünscht… warum also fortgehen?
Dort draußen gibt es nichts von Interesse für mich, zumindest nichts mit der Kraft mich zu begeistern oder mit Freude zu füllen, absolut nichts, was mein Herz berühren könnte.

Ich bleibe HIER! Lass mich in Frieden! GEH WEG!
Ich will nichts wissen von der Wirklichkeit! Schlaf ein! Schlaf einfach wieder ein!
Du hast so lange geschlafen! Schlafe! Schlafe und lasse mir meinen Frieden!
Ich will das nicht! Ich will NICHT!“

...

Kameras surren, bewegen sich von unsichtbarer Hand gesteuert, fixieren eine zerfasert und zerrissen aussehende Gestalt in Zelle 4807. Der junge Mann ist noch keine zwanzig, zerzauste blonde Haare fallen auf das klinisch reine Weiß seiner Zwangsjacke, bilden ein Extrem zum bleichen Ton seiner Gesichtshaut und zur Farbe seiner Jacke gleichermaßen, schreien fast im einzigen echten Farbkontrast zu den grau-weißlichen Polsterungen an allen Wänden der Spezialzelle. Wären sie zu einer Emotion fähig, alle Kameras würden aufgeregt und neugierig brummend diesen Moment festhalten:
Er bewegt sich!
Er sagt etwas!
Das hat 4807 seit Monaten nicht getan. Erst dachten die Professoren, dies sei nur ein temporärer Zustand, eine Erholung des Körpers von den extatischen Eskapaden während und in den Tagen nach der Einlieferung des Patienten, damals noch glaubten sie sich einem lange standardisierten Fall gegenüber, Vorgehen nach bekannten Krankheitsbildern, hohe Aussicht auf Heilung.

Weit gefehlt.

Nachdem sich der neu eingelieferte Patient sicher zwei Stunden kreischend und - kläglich an den Polsterwänden abprallend – randalierend ausgetobt hatte, setzte er sich, erschien kurz darauf wie weggetreten – und stand nie wieder auf. Fünf Tage später begannen die Professoren ein Programm zur künstlichen Ernährung, nach weiteren zehn Tagen konstatierten sie Apathie im Maximalstadium. Nur zwei weitere Tage später wurde der Fall zu den Akten gelegt: Vermerk Dauerbehandlung. Keine Aussicht auf Heilung.

Und jetzt, die Sensation! Bewegung, Sprache, Aktion. Und niemand da, um es zu registrieren. Es ist fünf Uhr dreiunddreißig Eta-Carinae-Zeit, selbst auf der Notfallstation wachen nur noch Maschinen, stetig bereit ihre schlafenden Auftraggeber aus dem Schlaf zu reißen. Aber da ist kein Notfall, und da ist niemand um das Wunder in Zelle 4807 zu registrieren, niemand außer zwei stetig unermüdlich aufzeichnenden stummen Zeugen, die Augen des postmodernen Zeitalters, Ersatz und Förderer der Arbeitslosigkeit von Nachtwächtern und Notfallteams.

...

„Ich bin hier.
Wer?
Ich! Ich selbst! Ich existiere! Ich… NEIN! Ich will nicht! … Ich … Ich…
Ich möchte nicht hier sein!
Nein! Meine neu erwachte Gedankenwelt korrigiert:
Ich möchte nicht existieren! Ich will… sterben!
Ausgehend von dieser Erkenntnis wird mein Versuch – das Verbleiben im inneren meines eigenen Seins, in meiner privaten heilen Welt – zu einem zwecklosen Greifen nach einer unerreichbaren Utopie verdammt, zu sehr ist dieser Gedanke mit meiner entsetzlichen Wirklichkeit verbunden, zu sehr ist meine Todessehnsucht Anker in meiner Realität.

Ich erwache.

Zu lange wohl befand ich mich nach Ansicht des allgegenwärtigen Schicksals geborgen in meiner selbst erschaffenen und selbstherrlichen Traumwelt, tief unten in den Gängen meines Unterbewusstseins.
Es ist Zeit aufzustehen.

Wo bin ich und wie komme ich hier her?
Ein vertrauter Gedanke einerseits, denn oft schon zuvor war ich gefangen in meinen Gedankenwelten und Vorstellungen, so gebunden in ihren Wirbel, dass ich an fremden Orten verwirrt und orientierungslos erwachte, andererseits erschreckend ob der Unwissenheit über meine momentane Situation.
Außerdem ist dieses Mal irgendetwas anders. Ich schaffe es nicht, mich an etwas zu erinnern, dass vor der Erkenntnis meiner derzeitigen Situation und Verfassung geschehen ist, einzig diese verführerische rufende Todessehnsucht steht wie eine pochende Manifestation im Zentrum meines Geistes. Mein Zeitgefühl muß lange versagt haben.

Um mich herum sind Wände, alle gleich, grau in grau, gesteppte Karomusterung.
Und ich bin auch da. Eindeutig.
Um eine schleichend losbrechende Panik zu unterdrücken beschäftige ich mein Gehirn damit, die Umgebung und Situation zu sondieren:
Mein Kopf ist frei, meine Arme sind fixiert durch die weiße Jacke an meinem Leib, meine Beine sind frei. Alle Wände sowie Boden und Decke sind bedeckt von einem grauen Polsterbezug. Keine Objekte, keine Möglichkeit mich dem zerrenden Schrei nach Tod in meinem Kopf zu beugen oder anzuschliessen.

Für mich die maximale Abstinenz von Freiheit, perfekt inszeniert durch Zugriff einer fremden Entität, die ich nicht näher definieren oder fassen kann.

War es ihr Wunsch, mich der einzigen Option zu berauben die ich herbeisehnte?
Vielleicht um zu beobachten wie ich reagiere?
Wenn dem so ist, wie lange bin ich schon ein Experiment?
Und was habe ich getan, bevor ich die Verbindung zu meinem bewussten Sein verloren habe?

Ich werde diesen Fremden keinesfalls geben, worauf sie warten. Nein!
Ich werde nicht versuchen, mich trotz der Abwesenheit aller erdenklichen Hilfsmittel selbst zu verletzen oder gar zu töten. Nein!

Eine gute Ausrede. Sie verdeckt geschickt die Selbsterkenntnis.
Dabei weiß ich doch eindeutig, ich selbst bin nicht in der Lage, mich zu vernichten.
Sonst wäre ich lange bereits tot.
Es ist nicht so, daß ich es nicht versucht hätte.
Aber ich war und bin zu feige.

Ich bin Gestalt gewordenes lebendiges Paradoxon des Seins.
Eine geborene Existenz strebt immer dem Tod entgegen, doch um diesen zu erreichen, braucht Sie das Leben, gaukelt sich eine Sehnsucht nach dem Leben vor, um ihn noch schneller erreichen zu können. Gesetz der Entrophie.

Ich aber lebe schon viel zu lange, ich aber habe die falschen Dinge erlebt, einzig Leid und Rückschläge erfahrend, habe zuviel Schmerz und Verlust gebracht.
Da ist nur noch Todessehnsucht.
Kein Platz mehr für Freuden, Liebe und Begierde nach Leben.
Sie sind alle fort, vertrieben. Verbrannt im Exzess meiner bisherigen Existenz. Asche.

Ich fühle mich beobachtet. Man erwartet scheinbar eine Aktion von mir.
Ich darf mich dem Sog nicht hingeben, meine Vernunft warnt mich, es ist sinnlos sich dem nach Aufmerksamkeit zappelnden Sterbewunsch hinzugeben, auch wenn er meine Gedanken noch immer dominiert. Es gibt keine Möglichkeit ihm Folge zu leisten.

Nicht hier. Nicht jetzt.

Da ist eine Stimme in meinem Kopf. Eine Stimme, die zu mir spricht!

„Ich heiße Kiriin, möchtest du etwas Jasmintee?“

Ich erinnere mich! Jasmintee! Das war doch…
...
und wieder versinkt alles um mich herum in Nebeln, welche meine Erinnerung zu verschlingen scheinen…

Ich muß diesen Ort verlassen… aber wie?"

upic
Kontakt: http://www.carpepagina.com ICQ : 0
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