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In Gedanken verloren starrte Ray auf sein Glas. Schon seit fast zwei Stunden saß er hier in dieser bar, etwas abseits von allen anderen und bedauerte sich selbst. Gestern hatte er sich dafür entschieden, seine Karriere als Händler aufzugeben und sich lieber der Kopfgeldjagd zu widmen. All seine Ersparnisse hatte er in brandneuen Jäger samt Ausrüstung gesteckt, und dann hatte er sich auch schon auf den Weg gemacht.

Jedoch musste er ziemlich bald schon schmerzlich feststellen, das die Piratenjagd schwieriger war, als er gedacht hatte, sogar noch mehr, er zweifelte ernsthaft daran, ob er es ohne die Anleitung eines erfahrenen Kopfgeldjägers selbst irgendwann einmal zu einem solchen bringen könnte. Schnell füllte er sein Glas wieder mit der klaren Flüssigkeit aus der Flasche neben ihm und kippte das Zeug runter. Langsam näherte sich der Inhalt der Flasche dem Ende und auch der Wirt des Lokals schien das entdeckt zu haben. Leise flüsterte er einem Anderen an der Bar etwas zu, aber Ray war es egal. Sollten sie sich doch alle das Maul über ihn zerreißen. Vielleicht wäre es das Beste, wenn er sich einfach wieder ein kleines Shuttle kaufen würde, dann könnte er weiter seine Transportaufträge fliegen und hätte seine Ruhe, von ein paar Piraten vielleicht einmal abgesehen.

„Du solltest nicht so viel trinken Kleiner, das schlägt auf den Magen und ist auch nicht besonders gut für die Gesundheit.“ Ertönte dann eine brummige Stimme hinter ihm. Sofort drehte sich Ray um und blickte in das Gesicht eines älteren Mannes. „Was wollen Sie von mir? Lassen Sie sich mich doch einfach in Frieden!“ fuhr er den Mann an.

„Wieso sollte ich? Um zu sehen, wie sie später völlig betrunken in ihr Schiff steigen und dann vielleicht noch eine halbe Katastrophe auslösen? Sicherlich nicht mein Lieber.“ Der Alte schien nicht locker lassen zu wollen. „Sie haben ja keine Ahnung…“ murmelte Ray leise vor sich her.

„Habe ich die nicht? Nun, ich sehe hier nur einen jungen Pilot der scheinbar nichts besseres zu tun hat als sich zu besaufen und seiner jungen Karriere so bereits ein jähes Ende setzt. Wissen Sie, was die häufigste Krankheit unter Piloten jeglicher Art ist?“ fragte er und setzte sich zu Ray an den Tisch.

Ray selbst zog die Augenbrauen hoch. „Woher soll ich das wissen verdammt, bin ich ein Arzt? Nein!“ Ray wusste das er sich ziemlich unfreundlich verhielt, aber das war ihm egal. Er wollte einfach nur, das ihn dieser Kerl in Frieden lassen würde, das er verschwinden würde.

„Es ist der Alkoholismus mein Lieber! Aber wie dem auch sei, wenn Sie irgendwann einmal etwas gesprächiger sind, dann können Sie mir ja einen kleinen Besuch abstatten. Wer weiß, vielleicht bin ich genau das, was Sie suchen.“ Unterbrach der Alte die Stille ein letztes mal. Dann kramte er aus einer seiner Anzugtaschen eine Visitenkarte hervor und ließ sie auf den Tisch flattern. Nachdem er einen letzten Blick auf Ray geworfen hatte drehte er sich um und verschwand wieder.

Als Ray erkannte, das der alte Mann die Bar verlassen hatte, griff er nach der Visitenkarte. Da er jedoch schon lange jenseits von Gut und Böse war, war das Lesen der Schrift darauf so gut wie unmöglich geworden. Vielleicht sollte er rauf auf sein Zimmer gehen und lieber noch etwas schlafen. Langsam erhob er sich und stieß dabei fast mit einem anderen Gast zusammen. Letztendlich hatte er es dann aber doch irgendwann geschafft, sich in sein Zimmer für diese Nacht zu begeben. Müde schlief er dann ein.

Am nächsten Morgen…

Als Ray versuchte die Augen zu öffnen, spürte er ein dumpfes Pochen in seinem Kopf. Das Licht blendete, und er fühlte sich, als hätte er mehrere Tage nicht geschlafen. Schon lange hatte er nicht mehr so viel getrunken. Langsam kehrten die Erinnerungen an den letzten Abend in sein Gedächtnis zurück, mit ihnen aber auch die Gedanken über den vielleicht größten Fehler seines Lebens. Aber es nützte einfach nichts, sich über solche dinge Gedanken zu machen, schon immer war er jemand gewesen der seine Entscheidungen aus dem Bauch heraus traf und dieses mal würde er sicherlich dasselbe tun.

Nachdem Ray geduscht und etwas gegessen hatte stand er erneut vor dem Spiegel. Auch wenn die Spuren seines Gelages vom Abend zuvor noch deutlich zu sehen waren, langsam verwandelte er sich wieder in einen Menschen.

Als er nach seiner Jacke griff, fiel ihm ein kleiner, rechteckiger Plastikgegenstand aus der Tasche. Neugierig hob er das kleine Kärtchen auf.

Weiland Ulysses AG
Timothy ’Starjumper’ Brody
Goldstar, Station Crystal Harbour
Gladsheim, Sigurd

Wieder kam eine der Erinnerungen aus seinem Kopf zurück. Der alte Kerl den er am Abend zuvor in der Bar gesehen hatte, und der ihm irgendwas vom Alkoholismus erzählt hatte. Aber warum hatte er ihm seine Visitenkarte gegeben? Wollte er ihn als Händler anwerben? Vielleicht wäre das genau die Chance, die er brauchte, er könnte seinen Jäger verkaufen oder gegen eine Pegasus eintauschen und dann sein Glück als Händler versuchen. Gut der Anfang würde sicher auch nicht einfach sein, aber später, vielleicht würde er irgendwann sogar einen dieser Freightliner besitzen. Eine euphorische Stimmung kochte in ihm hoch. Vielleicht sollte er sich einfach sofort auf den Weg zur Station dieses Mannes machen und mit ihm ein paar persönliche Gespräche führen, zumal noch eine Entschuldigung für sein gestriges Verhalten ausstand.

Auf dem Weg zum Raumhafen überlegte er sich immer wieder, was er sagen sollte, wenn er dort eintreffen würde. Sollte er sich von seiner besten Seite zeigen? Oder sollte er einfach nur ehrlich sein? In Gedanken vertieft passierte er die Abfertigung und die entsprechenden Kontrollen, dann hatte er seinen Jäger irgendwann erreicht. Von hier aus bis in Gladsheim war es ein weiter Weg, aber vielleicht würde er sich schon bald für ihn rentieren, wie hieß es in einem alten Sprichwort? Man sollte die Hoffnung niemals aufgeben…