Stories

Nemain stand am Fenster und blickte in die weiten des Alls, blickte in die
endlosen Sternenfluten, Tränen flossen in wahren Sturzbächen seine Wangen
herab... aber dennoch, er lächelte, sein Herz war voller Freude,
denn er weinte Tränen der Freude.

Wenige Minuten vorher hatte er von einem seiner Offiziere von ihrem Tod am
Kobetin durch BE-Streitkräfte erfahren, die Nachricht ging durch alle
offenen Kanäle des Eta Carinae. Es schmerzte ihn etwas das er selbst nicht
in ihrer Nähe war, doch waren seine Gefühle derzeit gleich - es ging
einzig um die ihrigen.

Vor wenigen Monden erst hatte er die kleine Piratin kennengelernt, beide
hatten sich auf Anhieb verstanden und wollten niemals mehr ohne den
anderen sein, denn beide hatten das gleiche Leiden. Beide waren in ihrer
Jugend ein Opfer unserer seit langem großteils verkommenen Gesellschaft
geworden, man hatte ihre kindlichen fröhlichen Träume vergewaltigt,
zerissen, zermalmt mit Gier, Gewalt und Sexualtrieb.
Erst jeder für sich, dann nach ihrer Zusammenkunft beide gemeinsam waren
aufgebrochen um ihren Zorn auszuleben, litten jede Nacht unter
wahnsinnigen Alpträumen voller Schmerz und Erinnerung an die Qualen die
sie erleiden mußten.
Sie wollten es der Gesellschaft, den allen da draußen heimzahlen,
getrieben durch ihren Schmerz sahen sie nichts anderes als blinde Wut,
Hass, Zorn wider fast alle die ihnen begegneten. Wenige Freunde nur mit
Verständnis für ihr düsteres Schicksal hatten sie.

Diese Welt war nicht die unsere dachte Nemain. Wir lebten jeden Tag in
Hass und Zerstörung, lebten dem Tod entgegen, zu feige uns selbst zu töten
verbreiteten wir den Tod, auf daß er dereinst zu uns kommen möge, beteten
ihn durch unsere Taten herbei in der Gewißheit das er uns nicht vergessen
würde.

Jeden Abend sprachen wir dieselben Worte in die Nacht, sprachen zu ihm:

"Auch zu mir kommst du einmal,
du vergißt mich nicht.
Und zu Ende ist die Qual,
und die Kette bricht.

Noch erscheinst du fremd und fern,
lieber Bruder Tod,
leuchtest als ein kühler Stern,
über meiner Not.

Doch einmal wirst du nah,
und voll Flammen sein,
komm Geliebter - Ich bin da!
Nimm mich! Ich bin dein!"

Nun endlich, nach endlosen Tagen der Qualen und geistiger Zermürbung war
er gekommen, ihr beider schwarzer Freund, gekommen um Sie zu holen, um
seine geliebte Kleine, das Einzige was er seit dem Desaster seiner Jugend
geliebt hatte, zu erlösen, zu befreien, nun endlich sollte Sie nichtmehr
jede Nacht erwachen, schweißgebadet, schreiend, gemartert von ihren
finsteren Träumen.

Der Kreis schließt sich, dachte Nemain, der Schwarze hat nun befunden das
Sie genug gelitten hat, er kam um Sie zu befreien. Nur er allein kann die
Streitkräfte der BE zu Jamila geführt haben, hat ihre Geister erleuchtet,
die Flotte geführt zum Kobetin um das unvermeidliche auszuführen.

Es erfüllte Nemain mit Stolz das Jamila von so mächtigen Kriegern
aufgebracht wurde, das war ein Tod den Sie verdient hatte, in einem
gewaltigen Raumgefecht durch die Hand eines Clanfeindes zu sterben, ja das
war der Lohn für all die Leiden!

Und doch, jetzt da er den letzten Lichtfunken für sich selbst in dieser
kalten Galaxie verloren hatte verdoppelte sich schlagartig das Leiden für
Nemain selbst, das war gewiß, er würde in jeder verdammten Nacht ihren Tod
sehen, zusätzlich zu all dem Grauen welches sich schon vorher immer in
seine Träume geschlichen hatte.
Ihre Erlösung ist meine Folter. Und neue Worte kamen ihm in den Sinn, wie
gesandt vom Schicksal, wie eingeimpft vom schwarzen Herrscher, vom Herren
über alles Leben:

"Die Dunkelheit, die mich umgibt,
das Dunkel in mir, das niemand sieht,
führt meine Hand,
bringt Tod in aller Land.
Auf das bald der Kreis sich schließt,
und der Tod mich selbst begrüßt."

Wie poetisch, Nemain mußte wieder lächeln. Der Tod ist Romantiker, er muß
es sein.

Machs gut meine Geliebte, nicht lange wirst du alleine sein dort draußen
in der Unendlichkeit, ich lasse dich niemals alleine und das weißt du.
Auch ich werde dir bald folgen, ich bin voller Hoffnung, ich spüre es,
bald wird auch mein letzter Tag sein, mein letzter Tag in dieser düsteren
pervertierten und kalten freudlosen Welt. Ich weiß das du mich mit offenen
Armen erwartest, dort draußen, im Paradies.

Nemain trat aus seinem Privatgemach hinaus auf die Brücke der
"rêve de la libération éternelle", seinem Traum der ewigen Erlösung.

"Kommunikationsoffizier, Verbindung zur Clanleitung Best Enemy aufnehmen,
Nachricht übermitteln, ich spreche selbst."
Langsam, fast andächtig trat er auf die Comanlage zu.

"Streitkräfte des Clans Best Enemy, ich möchte euch allen meinen Dank
aussprechen, ihr habt meine kleine Jamila, meine Geliebte, nun endlich
erlöst, habt ihr den Tod gebracht den Sie sich tagtäglich herbeigesehnt
hat. Ich stehe tief in ihrer Schuld. Sollte es von Nutzen für euch sein,
bitte verfügen sie über mich.
Vieleicht zu ihrem Verständnis noch die Worte welche Jamila noch gestern
zu mir gesprochen hat:
Viele sprechen von meinem baldigen Tod, sagen ich würde dann in der Hölle
schmoren. Wie aber soll ich mich vor der Hölle fürchten wenn mein Leben
bereits solch ein Fluch ist? Der Tod ist meine Erlösung, denn das HIER ist
die HÖLLE! So bürde ich dieser Gesellschaft den Zorn und den Hass meines
ganzen Lebens auf, wäre mein Leib ein Tachyonenemitter, ich würde mein
Herz auf euch schiessen!

Sie verstehen also? Ich hoffe doch. Eine angenehme Nacht wünsche ich.
Nemain Naraikina, Kommander der rêve de la libération éternelle, Ende."

Jetzt wandte Nemain sich von allem ab, blickte erneut in die Weiten des
Weltalls hinaus, er weinte noch immer, weinte für Jamila, weinte ein Meer
aus Tränen...

Tränen der Freude...


ooc: re-post wegen RPG

05.08.2364 00:00 Uhr Alesia auf der Angel of Extermination hat soeben Jamila
Narai auf der Misplaced Childhood am Planeten Kobetin zerstört

Hinweis:
"Bruder Tod" ist von einem mir unbekannten Dichter
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„Die häufigste von Menschen angewandte Art Entscheidungen zu treffen ist: keine Entscheidung treffen.“ - Rao