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es war einmal...

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Seher (*) schrieb am 17-04-2004 12:42:47 : Freiheit
Ich wußte, daß ich geträumt habe. Irgendwie weiß ich das immer. Wahrscheinlich ist es im Unterbewußtsein verankert. Ich glaube, daß ich mir ernsthafte Sorgen machen sollte, wenn ich das nicht mehr wüßte. Denn manche Träume sind erschreckend. Zwar oft verschwommen in ihren Bildern, aber klar in ihrer Aussage. Erschreckend klar. Wie es bei so vielen Träumen ist.
Diese Klarheit läßt die vagen Bilder nebensächlich erscheinen. Ich kann mich der bestechenden und eindringlichen Wirkung oft nicht entziehen. Ich weiß nicht, ob diese Träume tatsächlich nur durch mein Unterbewußtsein gebildet werden und nichts weiter als einfache Alpträume darstellen, oder ob ich sie durch andere "Mechanismen" bekomme. Ich halte die erste Möglichkeit für richtig - will sie für richtig halten. Alles andere würde zuviele Dinge implizieren, die ich nicht akzeptieren kann.

Ich habe das Gefühl, ich denke zuviel über alles mögliche nach. Über die Welt, über die Gesellschaft, über die Menschen, über meine Freunde, über diejenigen, die ich liebe. Alles versuche ich zu ergründen, einzuordnen, zu katalogisieren. Sollte es mich dann wirklich wundern, wenn ich im Schlaf derartige Träume zur Kompensation entwickele? Der streng rationale Verstand braucht wohl ein Ventil.

Der Traum heute Nacht war zum Glück eher harmlos. Seine Aussage hilft mir sogar bei vielen Betrachtungen. Ironischerweise enthält er trotz seiner fragenden Form eine Antwort. Es ist zwar eine, wie sie nur ein Philosoph geben kann und sie wird kaum mein rationales Denken befriedigen, aber dennoch könnte es mir eine Erleichterung verschaffen. Ich habe das Gefühl, ich trickse mich dadurch selbst aus, aber im Selbstbelügen sind wir Menschen immer hervorragend und ich wahrscheinlich eines der herausragendsten Individuen. Möglicherweise ist auch dies eine weitere Kompensation. Ich bin zuwenig Psychologe, um das bewerten zu können und kann mich nur auf meine Intelligenz in dieser Hinsicht verlassen.

Der Traum fing eher seltsam an. Sollten Bilder dabei gewesen sein, so habe ich sie inzwischen vergessen. Aber die Bilder sind auch nicht das Wesentliche. Die Worte sind es, auf die es ankommt. Ich schien jemandem zuzuhören. Einer seltsam androgyn und kindlich erscheinenden Stimme, die aber dennoch mal in den männlichen, mal in den weiblichen Aspekt abzugleiten schien. Es schien aber keine wirkliche Bedeutung zu haben. Die ersten und die letzten Worte, an die ich mich erinnere, waren wie ein einfacher Kinderreim geordnet, wobei Reim hier wohl der falsche Ausdruck ist. Dazwischen formte sich ein dozierender Tonfall.


"Was bin ich, wer bin ich?
Tier bin ich.

Sammler, Wahrnehmender, Korpulierender bin ich.
Jäger, Reagierender, Fühlender bin ich.
Mörder, Denkender, Liebender bin ich.

Was bin ich, wer bin ich?
Mensch bin ich.


Ich bin viele Aspekte.

Entwickelt während Jahrmillionen, geschmiedet durch die Evolution.
Gewachsen über wenig Jahre, geformt durch meine Umgebung und gesteuert durch meine Gene und Hormone.
Beeinflußt durch zufällige Momente, verändert durch quasi Unvorhersehbarkeit.
Was wird sich als stäker erweisen?
Alles greift ineinander über, die Grenzen sind vage und verschwommen. Manche Dinge mögen klar sein, andere wiederum sind nicht zuzuordnen.

Konklusion oder zufälliges Konglomerat? Determiniert oder frei? Und in letzter Instanz: Notwendige Folge oder freier Wille?
Parameter und freie Variablen in unübersehbarer Vielzahl. Nur teilweise zu erfassen durch meine Neugier, nur teilweise zu verstehen durch meinen Verstand, nur teilweise zu bewerten durch mein Wissen.

Das Tier kennt solcherart Überlegungen nicht.
Ich bin fähig, sie zu formulieren, zu fragen.
Wird es etwas geben, sie zu beantworten?

Die ewigen Fragen, der ewige Streit: Was bin ich, wer bin ich, warum bin ich, frei bin ich?


Was bin ich, wer bin ich?
Tier bin ich.

Uninteressierter, Unwissender, Gefangener bin ich.
Neugieriger, Fragender, Lösender bin ich.
Forscher bin ich. Weiser, Ungebundener möchte ich sein.

Was bin ich, wer bin ich?
Mensch bin ich.

Warum bin ich, frei bin ich?
Ich bin ich."


Die Antwort ist klar und so bestechend einfach, doch ich weiß nicht, ob ich sie so hinnehmen kann, hinnehmen will. Meine Denkweise ist anders, so daß ich mich nicht einfach auf diese fast religiöse Antwort berufen kann. Ja, ich bin tatsächlich ein Mensch, ich bin tatsächlich ich selbst. Doch ist das die letztendliche Antwort auf die Frage? Ist es uns aufgrund unseres grundsätzlichen Seins, unserer unzureichenden Form tatsächlich nicht gegeben, weiter zu blicken und daher die einzige mögliche Antwort: Ich bin ein Mensch?
Mir sieht es ein wenig nach Fatalismus aus, oder doch eher Akzeptanz? Wie auch immer, meine Gedanken beruhigen sich wieder, gehen geordnetere Bahnen, während ich die Erkenntnis sacken lasse. Letztendlich ist es tatsächlich eine Antwort. Ruhiger wende ich mich wieder meinen dringenderen Problemen zu. Es liegt noch viel Arbeit vor mir.

Ich brauche einen besseren, einen größeren Verstand. Ich brauche mehr Leistung, mehr Verarbeitungskapazität. Ich versuche so etwas zu bauen. Natürlich nicht alleine, das wäre Wahnwitz. Ich bin von einer Gruppe, wenn man dies in seinen Ausmaßen überhaupt noch so nennen kann, engagiert worden und eine andere Art Traum nähert sich seitdem der Verwirklichung. Doch die Probleme sind schier unüberwindlich.
Ich setze mich an meine Konsole und rufe die gestrigen Konstruktionen auf. Vor mir erscheint ein dreidimensionales Abbild des Konstrukts. Dies wird das Kernstück sein, der wichtigste Teil. Für die Programmierung bin ich nur teilweise zuständig. Den Hauptteil werden andere machen, die besser darin sind. Ich staune immer wieder über die Verflechtungen, die Verschmelzungen. Genetik und Technik. Philosophie und Psychologie. Moral und Ethik. Und so vieles mehr. Es liegt weit über meinen Fähigkeiten, die Gesamtheit zu erfassen. Und dabei bin ich der Beste auf meinem Gebiet.

Dennoch werde ich nicht aufgeben. Dies ist das, was mich trotz der Düsternis antreibt. Die Möglichkeit, meine denkerischen Ansätze fortzuführen, weiterzuentwickeln und zu einem Ende zu bringen. Die Möglichkeit auf Antworten.

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