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es war einmal...

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Seher (*) schrieb am 17-04-2004 12:43:48 : Folgen
Der Traum dieser Nacht war der schlimmste, den ich bisher hatte. Bei den meisten weiß ich ganz genau, daß sie surreale Traumgebilde sind, auf ihre Weise zwar durchaus real anmutend, doch dennoch nichts weiter als eine Art Kompensation des Erlebten durch das Unterbewußtsein. Aber der heutige unterschied sich davon vollkommen. Er wirkte dermaßen real, daß ich schweißgebadet und schreiend aus dem Bett hochfuhr. Keine Sekunde später standen meine beiden Leibwächter im Zimmer und sicherten mit gezogenen Waffen den Raum.

„Es war nur ein Albtraum.“ brachte ich völlig verstört hervor und winkte die beiden aus dem Zimmer. Ich hasse sie. Ich hasse diese gesamte Überwachung, aber sie ist notwendig, wie ich mir leider selbst eingestehen muß. Dennoch hasse ich sie. Ich kann im Grunde keinen Schritt wagen, ohne daß mich die beiden oder zwei ihrer vier Kollegen ständig überwachen. Rund um die Uhr. Mein sowieso schon recht kurz gehaltenes Privatleben ist dadurch praktisch auf Null gefallen. Meine Frau und meine Kinder habe ich in den letzten drei Monaten vielleicht viermal gesehen und selbst dann haben wir uns nur in abgeschirmten Räumlichkeiten treffen können. Zu meinem und ihrem Schutz. Aber ich nehme es dennoch in Kauf. Zum Wohle des Projekts, das wahrscheinlich das wichtigste sein wird, das die Zivilisation je erlebt hat. Und dennoch hat mir mein Unterbewußtsein diesen Traum beschert. Hatte ich schon häufiger Träume über das Projekt, so bisher doch immer eher angenehme und beruhigende. Vielleicht hat mir die Ethikdiskussion am gestrigen Tag doch mehr zugesetzt als ich dachte. Es scheint sich abzuzeichnen, daß es größere Probleme gibt, als bisher angenommen. Allerdings nicht auf meinem Gebiet. Ich bin kurz vor dem Durchbruch. Diese Diskussion überlasse ich dann doch lieber den klugen Köpfen, die sich mit den philosophischen und psychologischen Grundlagen besser auskennen.

Dennoch kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, daß ich Einwände hätte vorbringen sollen. Angesichts der Bilder des Traumes sogar auf jeden Fall hätte machen müssen. Die Erinnerung an die blutverschmierten Wände und zerstückelten Kadaver der unvorbereiteten und völlig chancenlosen Menschen jagt mir noch jetzt einen Schauer über den Rücken und ich muß zittern. Ich kann mich nicht erinnern, wo mein Traum stattfand. Es sah für mich wie die Korridore einer Station oder einer unterirdischen Anlage aus. Ich rannte durch die endlosen Gänge dieser Anlage auf der Flucht vor einem nicht weiter fassbaren Grauen. Hinter mir hörte ich metallischen Lärm, panikartige Rufe, das Stakkato und grelle Jaulen von wirkungslos an Panzerplatten abprallenden Impulsgeschossen, das helle und eigentlich nicht hörbare Zischen, wenn sich wieder eine Strahlenwaffe in den weichen Körper eines Menschen fraß und sein Gewebe verdampfen ließ, der laute Knall, der dem Abfeuern der Strahlenwaffen folgte. Ab und an vermischte es sich auch mit einem plötzlich abbrechenden markerschütternden Schrei, wenn sich die gebündelten Hochenergiestrahlen durch das Opfer fraßen und dahinter befindliche Personen erwischten.

Irgendwie mußte ich mich erfolgreich versteckt haben, obwohl ich wußte, daß es eigentlich gar nicht möglich war. Die Sensorabtastungen der Angreifer, die neben dem kompletten elektromagnetischen Spektrum auch mechanische Schwingungen abdeckten, auch wenn diese ständig in dem infernalischen Lärm der Kämpfe untergingen, hätten mich sofort geortet. Und dennoch war ich ihnen entwischt. Ich wußte, daß es wichtig war, auf welche Weise ich das geschafft hatte, doch ich wußte nicht wie ich es ermöglicht hatte. So war ich hinter die dicht an dicht vorrückende Linie der massiv gepanzerten Angreifer auf ihren grotesken Stelzbeinen oder Panzerketten gelangt und floh aus vollem Lauf vor dem Schrecken hinter mir. Ab und an kam ich in einer Gewebe- und Flüssigkeistpfütze dessen ins Rutschen, was früher einmal ein Mensch gewesen war. Die Strahlenwaffen der Angreifer brannten die entstehenden Wunden eigentlich sofort zu, doch teilweise zerfetzten das sich explosionsartig ausdehnende, verdampfte Gewebe Teile des Körpers und die Panzerketten der nachfolgenden Angreifer zermalmten die Überreste, so daß ein blutige Schmier die heftigsten Kampfzonen fast komplett bedeckte. Die Wände waren dort durch tiefe Riefen geschmolzenen und verdampften Gesteins gezeichnet, wo die Strahlenwaffen auftrafen.

So lief ich, geschüttelt von namenlosen Entsetzen, auf ein mir nicht weiter bekanntes Ziel zu. Und dennoch war ich mir sicher, daß es notwendig war dies zu erreichen. Als ich auf eine weitere Kreuzung zuhastete, überhörte ich das leise Sirren bis es zu spät war. Direkt vor mir kam ein schier unmögliches Ding aus einem der Seitengänge. Ich konnte weder ein Vorne noch ein Hinten erkennen, sondern nur einen diskusförmigen Rumpf, der auf mehreren Beinen stand, die am unteren Ende kleine Räder und Greifer zu haben schien. Diese Räder drehten sich mit einer enormen Geschwindigkeit und schienen das Ding dadurch anzutreiben. Das Sirren wurde durch sie erzeugt. Ich versuchte rutschend zum Stehen zu kommen, doch bevor ich auch nur nenneswert langsamer wurde, hatte das Ding einige der Beine waagerecht gehoben und schien sich damit an der gegenüberliegenden Ecke abzustoßen und in einer unmöglich anmutenden Bewegung seine Richtung zu ändern – und zwar genau auf mich zu. Das letzte, was ich sah, war das grausam helle Gleißen, das den Weg der gebündelten Gammastrahlen makierte, die sich einfach durch meinen Körper fraßen und ein großes Loch hineindampften. Die Intensität der gebündelten Strahlen war so hoch, daß auf ihrem Weg die Luft nahezu vollständig ionisiert wurde und das Zurückspringen der Elektronen das grelle Licht aussandte. Das direkt darauffolgende Donnern, mit dem die plasmaartige Luft – ähnlich wie bei einem Blitz – zurück drängte, hörte ich nicht mehr. Im Traum war ich tot und in der Realität saß ich schreiend und schweißgebadet im Bett.

Ich bin mir bewußt, daß nach einem Angriff mit solchen Waffen, das Gebiet für lange Zeit nicht mehr bewohnbar war. Die Gammastrahlen würden eine Menge Atomkerne angeregt haben und so würde es einige Zeit dauern, bis die atomare Strahlung auf ein für Menschen erträgliches Maß sank. Von den an den Kämpfen beteiligten Menschen würde keiner überlebt haben, selbst wenn er nicht von einem direkten Strahl getroffen worden war. Die Intensität war einfach so groß, daß alleine die Streustrahlung ausreichte, um die DNS der in der Nähe befindlichen Menschen irreparable zu schädigen. Würden die Menschen nicht an der Strahlenkrankheit elendig verrecken, so würden sie in einigen Monaten durch den Krebs sterben, der langsam ihren Körper zerfressen würde. Diese Ergebnisse waren in praktischen Tests schon bewiesen worden und die Waffen daher komplett verbannt. Keine Armee der Welt würde sie nutzen, denn sie würden die eigenen Einheiten ebenso vernichten – wenn auch erst später.

Angesichts dieses Szenarios muß ich etwas tun. Ich kann diese Warnung meines Verstandes nicht ungehört verklingen lassen. Ich weiß auch schon, was ich tun werde. Doch als erstes muß ich soweit sein, daß mein Teil des Projektes vollendet sein wird. Ich stehe auf und schaue nach der gestern Abend gestarteten Simulation. Als ich das Programm gestartet und mir die visuelle Darstellung habe berechnen lassen, sitze ich ersteinmal drei Minuten völlig verdutzt vor der Struktur, die sich dreidimensional als Hologramm vor mir ausbildet. Dann beginne ich immer schneller durch die einzelnen Sektoren zu zoomen und nach drei Stunden steht es fest. Ich habe es geschafft. Ich seufze tief auf, dann lehne ich mich in meinem Sessel zurück. Jetzt ist es Zeit, an die spätere Zukunft zu denken und eine Sicherung zu schaffen.

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