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es war einmal...

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Seher (*) schrieb am 17-04-2004 12:44:14 : Auflehnung
Wenn die Leute im Konzern wüßten, daß sich gerade eine Kopie meiner Arbeit auf einem kleinen Datenwürfel in meiner Tasche befindet, dann würden sie mich sehr wahrscheinlich nie wieder rauslassen. Oder zumindest erst, wenn das gesamte Projekt fertig und gestartet war. Und selbst dann wohl nur nach einer kompletten Durchleuchtung. Denn das war es, was sie am meisten fürchteten. Den Teil meiner Arbeit ohne die festverdrahtete Sicherung der Ethik. Und dennoch muß ich es wagen.

Ich bin gerade auf dem Weg in die Fertigungseinrichtung der Firma. Vor zwei Wochen ist mit dem Wachstum der Zellen begonnen worden und heute sollte ein erster Cluster fertig und an das bioelektrische Interface angeschlossen sein. Nach den heutigen Testläufen würde sich zeigen, ob meine Konstruktion und die daraus resultierenden Simulationen auch realistisch waren. Um ehrlich zu sein, ich bin dermaßen aufgeregt, daß ich auf dem Rücksitz der kleinen Gleitkabine unruhig hin- und herrutsche. An die zweite und schwierigere Aufgabe des heutigen Tages mag ich gar nicht erst denken und so verbiete ich mir die Gedanken darüber. Natürlich funktioniert es nicht wirklich und so driften meine Gedanken immer wieder ab.

Dann bin ich da. Nach der langwierigen Eincheckprozedur, die ich für wirklich unnötig halte, da sich mein Wohn- und Arbeitsbereich nur zwei Gebäude entfernt auf dem gleichen Gelände befindet, betrete ich schließlich die ausgedehnten Labors. Ich bin immer wieder überrascht, in welchem Maße Geld für diesen Bereich eingesetzt wird. Manchmal habe ich die Befürchtung, daß der Konzern daran bankrott gehen wird. Plötzlich wird mir klar, daß das wahrscheinlich kein so abwegiger Gedanke ist. Dieses Projekt ist sozusagen das Kind des Firmenchefs. Er selbst hat keine Familie und leidet an einer unheilbaren Krankheit. Derzeit kann er sich nicht einmal mehr aus seinem Rollstuhl erheben. Angesichts dessen wundert es mich nicht, falls er das Überleben des Konzerns für solch ein Projekt aufs Spiel setzt.

Ich haste zu meinem persönlichen Laborbereich und scheuche bei meinem Eintreten die dort arbeitenden Assistenten hoch. Ich weiß genau, daß sie einen Heidenrespekt vor mir haben, obwohl ich doch auch nur ein Mensch bin – wenn wohl auch mit einer der intelligentesten, die es hier geben dürfte. Manche sprechen mir sogar Genialität zu, was ich allerdings für Unfug halte. Ich bin auf meinem Gebiet eben ein Spezialist.

Wie ich erwartet habe, ist schon alles vorbereitet. Ich checke ein letztes Mal die Parameter. Die Hardware ist natürlich hermetisch abgekapselt, damit die empfindlichen Zellen keinerlei Störungen ausgesetzt werden. Als ich alles zu meiner Zufriedenheit vorfinde, drücke ich eine Taste, bestätige zweimal und lehne mich dann zurück. Die Systemtest-Prozedur wird einige Minuten in Anspruch nehmen. Danach werden die ersten Pulse über das bioelektrische Interface geschickt werden und das würde dann der große Moment sein. Nervös wippe ich mit einem Fuß und betrachte gespannt die Daten, die über den großen Schirm laufen.

Dann ist der Systemtest vorbei. Alle Parameter liegen im Grünen Bereich. In einigen Sekunden wird sich zeigen, was wir erreicht haben. Gespannt richte ich mich auf und starre auf den Schirm. Ein Diagramm erscheint und füllt sich erst langsam dann immer schneller mit Werten. Ein weiteres erscheint und auch dort zeigen sich weitere Werte. Schließlich bildet sich eine geschlossene Kurve. Ein drittes Diagramm erscheint und faßt die Abweichungen der beiden Kurven zusammen. Als die Abweichung eine Nullkurve ergibt, springe ich jubelnd auf und rufe meine Freude heraus. Meine Assistenten schauen mich erst verblüfft an und fallen dann mit ein. Wir haben es tatsächlich geschafft.

Die anschließende Besprechung, Präsentation und kleine Milestone-Feier bringe ich wie in Trance hinter mich. In einer ruhigeren Minute, als einer meiner Assistenten großspurig zum wer-weiß-wievielten-Mal unseren durchbrechenden Erfolg schildert, schleiche ich mich von dannen. Den Weg, den ich zu nutzen habe, kenne ich auswendig. Diesmal gibt es eine kleine Planänderung gegenüber dem üblichen Weg. Anstatt zum Haupteingang zu gehen, wo mich meine Bewacher erwarten würden, haste ich zu einem der Nebenausgänge. Diese sind im allgemeinen abgesperrt. Doch das macht mir herzlich wenig. Wozu habe ich ausreichend Ahnung von Chemie? Die Türsperre ist dann auch nur eine Sache von wenigen Minuten, die ich nervös auf- und abgehend und immer wieder an der Tür rüttelnd hinter mich bringe. Dann bin ich draußen und laufe zur nächsten Gebäudeecke. Eigentlich müßte jetzt ein Alarm ausgelöst worden sein, doch da keiner weiß, daß ich mich an der Türe zu schaffen gemacht habe, stört mich das nicht weiter. Ich besitze immerhin eine Berechtigung der höchsten Stufe und damit darf ich mich theoretisch in jedem Teil des Konzerngeländes aufhalten.

Der Ausgang ist nicht weit entfernt. Normalerweise gäbe es Probleme dort hinaus zu kommen, doch für diesen Fall habe ich schon heute Morgen gesorgt. Die Rechenkapazität der mir zur Verfügung stehenden Rechner und meine Sicherheitsstufe reichten aus, um einen besonderen Paßcode zu knacken und mir damit einen Tag Urlaub zu erschleichen. Damit einhergehend darf ich natürlich das Gelände verlassen. Die Anweisung, daß ich ohne meine Anhängsel nirgendwohin und schon gar nicht aus dem Konzerngelände heraus darf, müßte eigentlich durch ein paar Verbiegungen für die nächsten Stunden außer Gefecht sein. Ich werde es aber gleich sehen.

Es ist leichter als ich dachte. Die Männer am Tor checken kurz meine ID und dann werde ich mit einem freundlichen „Schönen Urlaub, Sir.“ hindurchgelassen. Sobald ich aus der Sicht der Wachposten bin, fange ich zu rennen an. In wenigen Minuten würden sämtliche Alarme schrillen. Doch die nächste U-Bahnstation ist nicht weit. Zwölf Minuten später bin ich völlig außer Atem, aber ich sitze in der Bahn auf dem Weg zum Flughafen. Während der Fahrt schaue ich mir die Leute um mich herum genauer an. Ein wenig mulmig ist mir schon zumute. Mir gegenüber sitzt ein Polizist, der mir müde zunickt, als ich meinen Blick über ihn schweifen lasse.
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Es war ein Scheißtag gewesen. Diese verdammten Drogenwichser! William Hort, seines Zeichens Bulle im Drogendezernat, hatte schon vieles erlebt. Aber das heute war ihm wieder schwer an die Nieren gegangen. Warum hatte er sich auch gerade dieser Abteilung zuordnen lassen und war nicht einfacher Streifenbulle geblieben, wie sein damaliger Partner. Aber nein, er hatte ja unbedingt was aufregenderes machen müssen. Davon hatte er dann heute auch genug gehabt!

Zum Glück war das Ganze ohne eine große Schießerei abgelaufen. Aber die abgewrackten Drogensüchtigen und armen Schlucker, die sie in dem Schlupfloch gefunden hatten, waren wirklich nichts für schwache Nerven gewesen. Aber immerhin stimmten die Informationen, die sie von den V-Männern erhalten hatten. Im Grunde war es ein vergleichsweise einfacherer Einsatz. Er war diesmal auch nur als offizielle Präsenz zum Zurückhalten der Gaffer und abschließendes Aufräumkommando dabei gewesen. Den Sturm hatten diesmal andere übernommen. Daher fuhr er jetzt auch in seiner Uniform vom Dienst nach Hause und nicht in seinen Zivilklamotten. Wäre er bei der Sturmtruppe gewesen, so hätte er sich im Revier umgezogen.

Das Drogenlabor war verhältnismäßig klein, doch die Bosse hatten dafür gesorgt, daß der gesamte Block von dem Zeug abhängig wurde und sie damit unter Kontrolle gehalten werden konnten. Die Zustände in den Wohnungen der Süchtigen waren katastrophal. Von Hygiene konnte man nicht im Mindesten sprechen. Der Müll und die verdorbenen Lebensmittel türmten sich stellenweise über einen Meter hoch. Und dazwischen die Süchtigen, die sich in ihren Traumwelten in dem Dreck wälzten. Lange hätte dieses Versteck auch nicht mehr mitgemacht. Dann wären die armen Schweine allesamt verreckt.

Aber sie hatten das Nest ausgeräuchert und einige Hinweise auf die eigentlichen Drahtzieher gefunden. Diese würden sich zwar wie immer herausschummeln, aber zumindest konnte man ihnen ein wenig Unbehangen vermitteln. Wenn schon nichts anderes. Und so war Seargent Hort ziemlich schlecht gelaunt und ein wenig müde, als er diesen schmalen und nervösen, aber erstaunlich gut gekleideten Mann gegenüber betrachtete. Er nickte ihm zu, obwohl sein Instinkt ihm zuschrie, daß dieser Mann etwas zu verbergen hatte. Hort hatte jetzt Feierabend und er hatte für heute mehr als genug, als daß er auch noch in seiner Freizeit Privatdetektiv spielte. An der Flughafenstation mußte er eh umsteigen und er hatte keine Lust, jetzt noch wild in der Gegend herum zufahren.

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