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es war einmal...

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Seher (*) schrieb am 17-04-2004 12:45:38 : Anfang vom Ende
Die Flughafenhaltestelle. Endlich. Ich stehe hastig auf und stelle mich an die Tür. Die Bremsbeschleunigung wirft mich fast um und ich lasse in dem Versuch mich festzuhalten, fast meine Tasche fallen. Krampfhaft klammere ich mich an die Haltestange und greife meine Tasche fester. Mit einigem Unbehagen merke ich, daß der Polizist, wie auch das junge Mädchen hinter mir stehen. Die Türen öffnen sich und ich trete in den grellen Lichtschein der Station. Hier unten laufen viele Züge zusammen und dementsprechend eilen relativ viele Menschen umher. Hier sollte ich einigermaßen untertauchen können.

Lautes Rufen und Grölen dringt von einer Seite zu mir und erringt meine Aufmerksamkeit. Eine Horde Ganger steht um etwas herum. Gerade nimmt einer Anlauf und springt dann in die Mitte des unregelmäßigen Kreises. Ich kann dort einige Stoffstücke erkenne, die seltsam naß glänzen. Als mir bewußt wird, daß dort ein Mensch in der Mitte liegt, auf den die Jungen immer wieder mit Anlauf einspringen, wird mir fast übel. Ich bin erstaunt, als ich sehe, daß um die Ganger und ihr Opfer trotz des Gedränges viel Platz herrscht und jeder sie nicht wahrzunehmen vorgibt. Natürlich hilft auch keiner. Ich erhalte einen heftigen Stoß in den Rücken, als sich der von mir vergessene Polizist vorbeidrängt, auf die Ganger zuläuft und dabei eine Waffe zieht. Gerade als ein weiterer zu einem Sprung ansetzt, hebt der Polizist die Waffe und legt auf ihn an.

Der Schuß war erstaunlich sauber und wie in Zeitlupe sehe ich, wie der Kopf des anlaufenden Gangers in einer blutigen Fontäne verschwindet und er herumgerissen wird. Wie ein nasser Sack sinkt er zu Boden. Die Bewegungen des weiter auf die Ganger zurennenden Polizisten erscheinen mir auf einmal seltsam langsam und abgehackt, während ich staunend zusehe und noch nicht ganz begreifen kann, was passiert. Die nachfolgenden Schüsse realisiere ich erst später. Und noch einen Moment später fällt mir erst auf, daß der Polizist mitten im Lauf gestoppt hat als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Auf seinem mir zugewendeten Rücken bildet sich eine Spur schnurgerade aufgereihter nasser, dunkler Flecke und der Mann geht haltlos zu Boden. Erst als ich das panische Schreien der anderen Menschen im Bahnhof wahrnehme, komme ich langsam wieder zu mir und wende mich hastig um.

Ich sehe noch das dreckige Grinsen des Mannes, kurz bevor es in meinem Unterleib zuckt und die Beine langsam unter mir nachgeben. Als ich zu Boden sinke, sehe ich die Maschinenpistole in der Hand des Mannes, der interessiert und grinsend dabei zuschaut, wie ich langsam zusammensacke und mit schwindender Kraft dagegen anzukämpfen versuche. Erst dann dringt das Begreifen langsam in mein Hirn und schlagartig kommt die Angst durch. NEIN! Ich darf jetzt nicht sterben. Zumindest nicht, bevor ich noch etwas erledigt habe. Der Datenwürfel ist nicht sicher. Er ist zwar verschlüsselt, aber dennoch knackbar. Ich muß ihn einfach vernichten.

Mittlerweile liege ich auf dem Boden und habe kaum noch Kraft, mich zu bewegen. Dennoch zwinge ich durch pure Willensanstrengung meinen Kopf herum. Der Mann, der auf mich geschossen hatte, nimmt weitere Ziele unter Feuer. Ganz deutlich kann ich das Emblem der explodierenden Milchstraße auf dem Oberarm seiner dunklen Uniform erkennen. Eine Erinnerung regt sich, doch ich kann sie nicht wirklich fassen und es ist auch zu anstrengend. Ich zwinge meine Konzentration auf etwas anderes. Meine Tasche muß hier irgendwo liegen. Ich hatte sie fallengelassen, als ich zusammensackte.

Mit fahrigen Händen taste ich langsam umher. Meine Hände treffen auf eine warme klebrige Soße. Erst als ich sie weiter wandern lasse und sie in seltsam weichen, mit harten Stücken gespicktem Zeug landen und ich meinen Kopf soweit herumgezwungen habe, daß ich sehe, worin ich wühle, kommt die Erkenntnis. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie das junge Mädchen erschossen worden war. Ich mußte direkt neben ihr zusammengesackt sein. Doch nur ihre Kleidung sagt mir, daß sie es ist. Ihr komplettes Gesicht ist verschwunden und hat einer blutigen Masse Platz gemacht, in der nun meine Hände herumwühlen. Wie durch einen Schleier macht sich die Erkenntnis breit, doch sie erzeugte keine weitere Reaktion. Seltsam gefühllos taste ich weiter, bis ich den Riemen meiner Tasche in der Hand halte. Das ständige Rattern von Schüssen, einige kleinere Explosionen und das panische Schreien der Verwundeten und fliehenden Menschen erfüllte mein Bewußtsein und erzeugt einen seltsamen Nachhall.

Ich nehme alle meine Kraft zusammen und stemme mich auf alle Viere hoch. Dies fordert fast meine letzte Energie und ich drohe umzufallen. Doch mit eiserner Willenskraft verbiete ich es mir und ich verharre zwar wackelig aber dennoch oben. Dann beginne ich auf die Gleisstrecke zuzukriechen. Dort würde ich den Würfel vernichten können. Ich hebe meinen Kopf und versuche mich zu orientieren. Das Bild, das sich mir bietet, ist grausam. Einen Moment begreife ich wirklich und verharre auf der Stelle. Die Station ist ein Schlachtfeld. Granaten und das Feuer von Maschinenpistolen haben ein mittleres Blutbad unter den Menschen angerichtet. Überall wälzen sich Verwundete in ihrem eigenen Blut und dem der anderen. Ich sehe Leute in dunklen Uniformen und mit dem Emblem auf dem Arm durch die Halle gehen und systematisch jedem in den Kopf schießen. ich bin relativ in der Mitte, also sollte ich genug Zeit haben.

Dann dringt wieder die Wichtigkeit meiner Aufgabe zurück und ich krieche auf die Schienen zu. Der Weg erscheint mir endlos lang, doch ich werde es schaffen – ich muß es schaffen. Nur noch wenige Meter. Meine Kraft nimmt noch weiter ab und ich kann kaum noch meine Hände heben. Noch einen Meter. Ich sacke auf den Bauch zusammen, aber schiebe mich dennoch weiter vor. Das Blut aus meinem Bauch hat meine Kleidung schlüpfrig gemacht und ich rutsche gut auf den Fliesen. Noch wenige Zentimeter. Ich schiebe den Arm mit meiner Tasche weit nach vorne und erreiche den Rand der Schienentrasse. Langsam bekommt die Tasche ein Ungleichgewicht und kippt vornüber. Ein Lächeln erscheint auf meinem Gesicht, als ich sehe, wie sie immer schneller kippt und bald hinter dem Bahnsteig verschwinden wird. Der nächste durchfahrende Zug wird ihren Inhalt zermalmen. Dann verläßt mich auch die letzte Kraft und mein Kopf knallt auf den Boden.

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Er sah, wie der Mann die Tasche langsam auf den Bahnsteig zuschob und genoß das Kriechen dieses Wurms. Es war ein erhabenes Gefühl, seinem Streben zuzusehen und zu wissen, daß es letztendlich doch nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Eine Zehntelsekunde nachdem die Tasche über den Rand kippte, hob er seinen Fuß und stellte ihn auf den Träger. Dieser sterbende Idiot hatte nichteinmal gewußt, daß er es nicht geschafft hatte. Der komplett in Schwarz gekleidete Mann hob die Tasche auf, drehte sich um und ging gemessenen Schrittes davon, wobei er geschickt den vielen Opfern und den sich ausdehnenden Blutlachen auswich. Der Mann hatte den Sterbenden erkannt und der Versuch die Tasche zu vernichten konnte nur bedeuten, dass ihr Inhalt von beträchtlichem Wert war. Sein Meister würde zufrieden sein...

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