Stories

„Noch eine Geschichte!“
„Nein – das waren jetzt schon zwei mehr als üblich. Jetzt ist Schluss. Jetzt wird geschlafen.“ Dennis lag in seinem Bett, die Augen verträumt zur Decke gerichtet, wo ein maßstabsgerechtes Modell einer Brigantine schwebte.
„Nur noch eine Piratengeschichte“, bettelte er, doch sein Vater blieb unnachgiebig. „Nein, ich bin auch müde, Dennis. Es war ein harter Tag heute im Labor. Und ich werde jetzt schlafen gehen. Und du wirst es auch – auch Piraten brauchen Schlaf.“

Wieso kann er nicht noch eine Geschichte erzählen...denn darin ist er wirklich gut. Viel besser als Mutti...

Der Junge drehte sich unter der warmen Decke auf die Seite und schloss die Augen. Sofort war er wieder zurück in der Traumwelt, aus der das Ende der Geschichte ihn so unsanft gerissen hatte. Für ihn war die Geschichte noch nicht vorbei, ganz im Gegenteil. So kurz vor dem Einschlafen ging es noch ein mal rund in seinen Gedanken. In den Traumbildern vermischten sich Szenen von Weltraumgefechten und Seeschlachten. Von leicht bekleideten Damen und Entercrews in Weltraumanzügen. Seit dem er vor zwei Jahren das erste Buch über alte und neue Piraten gelesen hatte, war er fasziniert von allem, was mit diesem Thema zu tun hatte. Ach, wenn ich doch auch so tolle Geschichten erleben könnte, nicht nur davon hören oder lesen. Sondern so richtig mitten drin sein...

Sein Vater hatte inzwischen die Tür zu seinem Zimmer geschlossen und Dennis vernahm nur unterbewusst, wie er die schmale Treppe hinabstieg. Nach einigen weiteren Minuten wurde es ganz ruhig im Haus, als auch die Eltern sich zur Ruhe begeben hatten. Ruhe, Stille, Lautlosigkeit...wie im Weltraum. Nur das leise Rauschen im Ohr, wenn ich mir eine Muschel davor halte. Nur das Klopfen des Herzens, dass wie langsame Trommelschläge die Mannschaft antreibt... Immer wieder verliefen Dennis’ Gedanken in solchen oder ähnlichen Bahnen und fast schon automatisch griffen seine Hände zu dem Holzmodell einer alten Fregatten-Nachbildung. Gekonnt und gezielt öffneten seine Finger den Rumpf des Schiffes, so dass er den kleinen stabförmigen Behälter hinaus holen konnte.

Er solle sich nicht dabei erwischen lassen, es niemandem zeigen. Er solle allein sein, wenn er es ausprobiere und er solle genügend Zeit haben. `Traummacher´, so hatte der junge Mann dieses Spielzeug genannt. Er hatte es Dennis geschenkt, einfach so, als er auf dem Weg vom Schulbussammelgleiter nach Hause war. Der Behälter passe in jedes Standard-Visophon. Eine Kommunikationseinrichtung, die in jedem Haushalt mehrfach installiert war und die Verbindungsschnittstelle zu Datenbanken und Entertainmentprogrammen darstellte. ‚Was kann man denn damit machen?’ war Dennis Frage gewesen. ‚Lass deine Träume einfach wahr werden...Du hast doch Träume, oder?’ ‚Klar, ich will Pirat werden.’ ‚Probier’s aus...die Weiten warten darauf, dass du sie erforscht...’ Mit dieser Antwort war der Mann dann verschwunden, so unauffällig und schnell wie er aufgetaucht war.

Jetzt spielten Dennis’ Finger mit dem glatten Kunststoffstab, sein Daumen passte genau in eine Vertiefung, die auch genau dafür gemacht zu sein schien. Was verbirgt sich wohl in den Stab? Wie kann er meine Träume wahr werden lassen? Nach einem kurzen Zögern ließ er den Stab zurück ins Modell gleiten und fiel dann in einen unruhigen Schlaf.
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