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Lazarus saß in seinem Kommandosessel auf der Brücke der 'Hangman’s Joke' und langweilte sich. Das All machte seinen ’unendlichen Weiten’ alle Ehre. Seit geraumer Zeit schon waren sie niemandem mehr begegnet.
Allmählich fragte er sich, ob irgendwas passiert war, von dem er nichts mitbekommen hatte, und das sämtliche Lebensformen verschluckt hatte.
Es gab absolut nichts zu tun. Alle Systeme arbeiteten normal und die Brückencrew ging ihren Aufgaben nach, oder zumindest tat sie als ob. Wahrscheinlich langweilte sie sich genauso wie er selbst.
Lazarus verschränkte die Arme hinterm Kopf, streckte den Rücken durch, legte den Kopf in den Nacken und begann, das Muster der Deckenverkleidung auf Unregelmäßigkeiten abzusuchen. Eigentlich merkwürdig, die ganz eigene Schönheit dieses Musters war ihm bisher noch nie aufgefallen.
„Kapitän, einkommende Funkverbindung mit...“, der Funker stutzte kurz, „... mit SGP-Kennung“.
Ohne seinen Blick von der Deckenverkleidung zu lösen, antwortet Lazarus: „Sagen sie, ich wäre beschäftigt“.
„Ja, Kapitän“. Der Funker widmete sich wieder seiner Konsole. „Die Dame meint, sie wisse genau, dass sie sie nur abwiegeln wollten. Und wenn sie nicht sofort mit ihr sprächen, würde sie persönlich vorbei kommen“.
Lazarus seufzte. „Na schön“. Er zog seine Uniform glatt und richtete sich im Sessel auf. „Durchstellen“.
Das Gesicht einer jungen Frau mit entschlossenem Gesichtsausdruck erschien auf dem großen Bildschirm.
„Hallo Oxana, schön dich mal wieder zu sehen. Ist lange her. Du siehst gut aus und...“
„Jajaja“, unterbrach ihn Oxana, „genug der Floskeln. Wo ist er?“
„Öhm... Wer?“
„Dein Bruder. Du weißt doch genau, wen ich meine. Und erzähl mir nicht, du wüsstest es nicht. Du weißt das immer. Wir haben hier eine Krise und er macht sich aus dem Staub. Wir haben schon versucht, die ‚Queen’ ausfindig zu machen, aber sämtliche Transponder sind deaktiviert. Also, raus damit, wo ist er? Und keine Ausreden!“
Das wütende Funkeln in ihren Augen unterstrich ihre Entschlossenheit, sich nicht abwimmeln zu lassen. Aber Lazarus ließ es dennoch auf einen Versuch ankommen.
„Mal rein hypothetisch angenommen, ich wüsste, wo er sich aufhält, würde ich es dir nicht sagen. Denn dann wäre es binnen kürzester Zeit mit seiner Erholung vorbei. Und das würde ich auf keinen Fall zulassen. Also, vergiss es“.
Das überbreite Grinsen, dass er Oxana entgegen brachte, schien sie erst so richtig auf die Palme zu bringen.
„Wenn du glaubst, du würdest mir so einfach...“
Einer Handbewegung Lazarus’ folgend, hatte der Funker die Verbindung getrennt. „Hmm, das wird sie wohl kaum auf sich sitzen lassen“, überlegte er laut.
„Damit rechne ich doch“. Lazarus grinste. „Hat sie unser Signal angepeilt?“
„Ja, Kapitän“.
„Gut. Alles mal hergehört!“ Die Anwesenden wandten ihm ihre Gesichter zu. „Wahrscheinlich bekommen wir in Kürze etwas Abwechslung in unserem tristen Umherschippern. Also, Sensoren auf Maximum und aufgepasst“.
Doch das ließ sich leicht sagen, denn weitere zwei ereignislose Stunden vergingen, in denen Lazarus fast eingenickt wäre. Gerade als er anfing darüber nachzudenken, ob er sich in Oxana womöglich getäuscht hatte, meldeten die Sensoren einen Kontakt. Augenblicklich war er wieder hellwach.
„Kontakt identifizieren und auf Stufe 2 gehen“.
„Kontakt bestätigt, Schiff der Jäger-Klasse. Es ist die 'Puerto_Rico'. Sie geht auf Abfangkurs, bei konstanter Geschwindigkeit in Waffenreichweite in etwa fünf Minuten“.
Lazarus nickte nur und ließ sich wieder in seinen Sessel plumpsen, aus dem er zuvor aufgesprungen war. Er hatte zwar etwas eher mit ihr gerechnet, aber es freute ihn doch zu sehen, dass er recht gehabt hatte.
„Jäger in Reichweite, lädt seine Waffen“.
„Auf Stufe 1 gehen, Ziel erfassen und bei Feindfeuer den Beschuss erwidern“.
„Negativ 1O, Stufe 2 beibehalten“.
„Äh, bei Stufe 2 haben wir keine volle Waffenenergie...“
„Ja, und?“ Lazarus blickte seinen Ersten Offizier verschmitzt an, der einen Moment die Stirn runzelte, dann jedoch grinsend nickte. „Alles klar“.
„Gut, dann alle Mann auf Gefechtsstation. Auf geht’s.“
Und prompt prasselten auch schon die ersten Energiesalven auf die Schilde der 'Hangman’s Joke' ein.
Hatte Lazarus sich darauf gefreut, ein wenig mit Oxana zu spielen, so machte ihm der Waffenoffizier mit seiner Meldung einen Strich durch die Rechnung: „Kapitän, wir können das Feuer nicht erwidern, die Sensoren erfassen kein Ziel. Der Jäger ist weg“.
Mit zwei langen Sätzen sprang Lazarus an die Waffenkontrolle, schob den Mann beiseite und tippte auf der Konsole herum. Aber auch er konnte nichts als den leeren Weltraum erkennen. Das einzige, was er fand, war eine Anomalie in den Sensorlogbüchern: ein greller Blitz, gefolgt von einigen Nanosekunden Dunkelheit. Dann wieder scheinbar normale Werte.
„Verdammt... dieses Biest... das Matsunin-Manöver...“, murmelte er mehr zu sich selbst.
„Verzeihung Kapitän, was für ein Manöver? Hab ich noch nie von gehört“.
Das konnte er auch nicht, denn eigentlich war dieses Manöver nur zwei noch lebenden Personen bekannt, ihm selbst und seinem Bruder – und ganz offensichtlich Oxana. Das konnte nur Greg verbrochen haben, den würde er sich noch vorknöpfen.
„Das glaub ich ihnen, 1O. Das war ein Spezialmanöver des Mannes, der mich und meinen Bruder nach dem Tod unserer Eltern aufgenommen hat. Hatte er selbst entwickelt, eigentlich zur Verteidigung, um Piraten zu entkommen. Und eigentlich sollte das unter uns bleiben“.
„Und jetzt?“
„Kalibieren sie die Sensoren neu. Ist die einzige Möglichkeit“.
„Die Sensoren laufen doch einwandfrei“.
„Glauben sie mir, das ist ein Irrtum“. Lazarus seufzte und wandte sich dann alle. „Gentleman, die Sache ist gelaufen, sie hat uns ausgetrickst. Auf Stufe 3 zurückgehen und Andockmanöver vorbereiten. 1O, sie haben die Brücke“.
Auf dem Weg zum Hangar ging er noch kurz in die Offiziersmesse und entnahm der Bar eine Flasche Martini, mit der er hoffte, Oxana milde stimmen zu können.