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es war einmal...

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Franc Domidian [CTU] (*) schrieb am 07-02-2005 0:30:00 : ( 2 )

Langsam öffnete Franc die Augen. Phantasie ermöglichte erstaunliche Dinge. Ein visualisierender Geist konnte dadurch zu den unglaublichsten Bildern und Geschichten gelangen. Franc benutzte diese Fiktion als sein wandelbares Mantra. Sein Mantra vor entscheidenden Schlachten. Vor Schlachten, die seine volle Konzentration ebenso wie ungezügelte Wut benötigten. In seiner Wut war er eine reißende Furie. Er spürte das Pulsieren von Adern in seinen Schläfen. Die Wangenmuskeln spannten sich und ließen das Jochbein deutlich hervortreten. Die Augenbrauen bildeten ein bedrohliches 'V' während er den blank geputzten Disruptor griff und umschnallte. Die Kälte des glatten Stahls der beiden 14-Zoll-Jagdmesser spiegelte sich in seinen Augen wieder, als er diese sorgsam in die dafür vorgesehenen Schäfte an seinen Stiefeln schob. Er verstaute zwei 100 Gramm Ladungen Crantex Plastiksprengstoff in seinem Mantel. Die zugehörigen elektronischen Zünder wanderten in die Taschen seiner weit geschnittenen Tarnhose. Ein letztes Mal zog er die Riemen der Unterarmprotektoren fest und arretierte die bereitgelegten Microphaser an der dafür vorgesehenen Halterung. Probeweise ließ er beide durch ein geübtes Anwinkeln der Ellenbogen herausschnellen, so dass sie passgenau in seine Handflächen glitten. Zu guter Letzt kramte er eine kleine Blechdose hervor, öffnete sie und begann damit, die darin enthaltene schwarze Farbe in kunstvollen Mustern auf seinem Gesicht zu verteilen. Er benötigte keinen Spiegel. Diese Bewegungen waren ihm über die Jahre in Fleisch und Blut übergegangen. Das Mantra entfaltete seine Wirkung.
Manchmal, wenn auch selten, wünschte er sich, bestimmte Bilder ließen sich allein auf Phantasie begründen.

Es klopfte an seiner Tür.
"Herein."
Eine Frau betrat lautlos die beinahe völlig abgedunkelte Koje.
"Ulin. Alles im Plan?"
Ulin Bator positionierte sich direkt hinter ihrem sitzenden Anführer und verschränkte die Arme auf dem Rücken.
"Selbstverständlich. Kama wartet bereits an Bord der Exciter. Das Schiff ist beladen und abflugbereit."
"Gut, gut. Ich komme sofort."
Ulin wandte sich um.
"Eines noch, Ulin."
Sie stoppte, ohne sich umzublicken.
"Danke. Danke für alles."
Kommentarlos, aber traurig lächelnd verließ die Frau den Raum.

Passage. Dreissig Schritte. Weißer Dampf. Dunkelheit. Weitere zwölf Schritte geradeaus. Stahltür, verschlossen.
Ulin klopfte zunächst zaghaft, dann energischer an die Tür. Nichts rührte sich. Sie vernahm nur das Tropfen einer undichten Abwasserleitung, hörte das Rascheln nach Nahrung suchender Ratten. Irgendwo rief ein verärgerter Mann seiner keifenden Frau durch die tiefschwarze Nacht hinterher. Ulins Puls lag mittlerweile bei über 130 Schlägen pro Minute.
"Ruhig. Bleib ruhig. Es ist alles in bester Ordnung. Die Wärmesensoren zeigen eine einzelne Person in dem Raum, etwa acht Meter hinter der Tür. Bewegt sich nicht.", tönte Franc aus ihrem Head-Set.
Francs Blut pumpte hingegen um einiges schneller durch seine Venen. Denn er ahnte, was sie unter Umständen dort in dem Raum erwarten konnte. Und er wusste nicht, um welches Wesen es sich handelte, das ihm der Distanzthermograph anzeigte. Durch das dicke Mauerwerk konnte er nur einen undeutlichen Schemen erkennen. Das Reflektionsmuster des Mikrowellenmoduls bestätigte indes, dass das Wesen zu einem großen Teil aus Metall oder Metalloxiden bestand. Was aber sowohl auf Jeb wie auch seine unheilvolle Konstruktion zutraf. Deutlich hörte er den schweren Atem von Ulin in seinen Ohren rauschen. Erste Flocken schwebten vom Himmel wie winterliche Insekten.
Seit die Geothermalkraftwerke im Klimaquadranten IV nur noch auf etwa einem Drittel ihrer möglichen Leistungsfähigkeit betrieben wurden, stand diese Zone an der Schwelle einer künstlich heraufbeschworenen Eiszeit. Jeden Tag trafen mehr Meldungen von erfrorenen Obdachlosen und Herumstreichern von den Feldern vor der Stadt und aus den immer halbdunklen Gassen und Schluchten zwischen den großen Häuserblocks der Vororte in der Bedürftigenmission ein, für die Franc gelegentlich und in letzter Zeit häufiger Lebensmittel und Kleidungsstücke vorbeibrachte. Schuhe, derzeit waren es feste und dicke Schuhe, die am meisten benötigt wurden. Geld war weniger gefragt, im Grunde konnte Mama Lou damit so gut wie garnichts anfangen. Abgesehen von Waffen und Drogen gab es im Viertel kaum etwas zu erwerben. Und die lebensnotwendigen Güter des Zentrums waren unerschwinglich. Es war nicht so, dass Francs Mittel nicht dafür ausgereicht hätten. Es war einfach nur effizienter, wenn er Mais- und Molkepulver, Brot und Käse, Kartoffeln und dergleichen persönlich von Karn oder den anderen Boeel Monden importierte. Auch die Qualität des Wassers nahm ab. Gerüchteweise hörte man bereits von ersten Steppe-Ba'ar-Erkrankungen.
Das Erlöschen des Thermographen unterbrach seine Gedanken jäh.
Es hatte entgegen der getroffenen Vereinbarung neun anstatt drei Tage gedauert. Ein für Jeb durchaus unübliches Versäumnis, weshalb Franc auch gewisse Zweifel hegte, ob dieser Freak nicht Lunte gerochen haben könnte. Er war verrückt, daran bestand kein Zweifel. So verrückt wie eine tollwütige Ratte auf einem schlechten LSD-Trip. Oder eher unter Nachwirkungen einer schimmeligen Stechapfelsuppe.
Jebs Alter konnte nicht genau bestimmt werden. Er musste allerdings irgendwann in den Zwanzigern in einer Kolonie auf Io aus einem ranzigen Ei geschlüpft sein. Erste bestätigte Daten konnte man von ihm aus dem Jahr 2342 finden, die seine erfolglose und äußerst kurze Karriere bei der militärischen Ausbildungseinheit einer Splittergruppe der Zeugen Eremas dokumentierten. Danach fehlten wieder einige Jahre bis er das erste Mal auf Vara durch die Anzettelung eines kleinen und fehlgeschlagenen Aufruhrs gegen einen der damals agierenden Warlords aus Idonia auffiel. Er kam gerade so mit dem Leben davon. Aus der Zeit dieses Vorfalls resultierte auch der Verlust seines rechten Auges. Personen, die behaupteten, involviert gewesen zu sein, erzählten, dass sein Augenlicht an einem herkömmlichen Lötkolben verdampfte. Wer genau ihm das angetan haben könnte, darüber konnte jedoch niemand Auskunft geben. Es kamen viele in Frage. Eingeschlossen Jeb selbst. Gut möglich, dass er für ein angestrebtes Märtyrertum oder aus purer Selbstgeißelung auch diesen Eingriff selbst durchgeführt hatte.

"Was ist da drinnen los?", wollte Ulin wissen.
Der Thermograph zeigt immer noch nur Schwärze. Versuchsweise drehte Franc das Gerät in die Passage. Sofort wurde Ulins gelborangebunter Umriss sichtbar. Neben einigen kleinen, umherwuselnden Farbtupfern. In der Ursprungsposition, auf das Haus gerichtet war rein garnichts zu empfangen.
"Ich habe ihn oder es verloren."
Er schluckte erst und befeuchtete sich dann mit der Zungenspitze die spröde Oberlippe.
Gestern hatte er die Nachricht erhalten, dass die Datadisc dekodiert für ihn zur Abholung bereit läge. Allerdings erreichte ihn diese Mitteilung nicht über den üblichen Kanal, sondern per unverschlüsselter, computergenerierter Audioübertragung. Die leicht melancholisch klingende Frauenstimme hatte ihm erklärt, dass sein Paket fertig verschnürt an der bekannten Entnahmestelle platziert wurde. In dem darunter liegenden Datenmuster entdeckte Ulin die Spur einer Zahlenfolge. Diese Technik hatte Jeb früher öfters benutzt, um das Datum und die Uhrzeit des Treffens durchzugeben. Diesmal jedoch fand sich die entscheidende Information eingebettet in Myriaden von Sechsern wieder.
"Wir nehmen Plan B."
"Und wie lautet der?"
Leichte Panik schwang in Ulins Stimme mit. Sehr ungewöhnlich für eine Frau, die an unzähligen tödlichen Missionen beteiligt war, die so viele riskante Schlachten geschlagen hatte und - bis auf eine Ausnahme - alle für sich entscheiden konnte. Doch im All ist es anders. Im All ist man für sich allein. Im All bleibt man von seinem Gegner in aller Regel mindestens eine Schiffslänge entfernt.
Sie kannte Jeb nicht persönlich, nicht aus eigener Erfahrung. Aber seine Persönlichkeit troff aus allen Ritzen, aus allen Winkeln und Nischen der verschiedenen kleinen Konklaven, die ehemalige Rebellen beheimateten, der verbotenen Dörfer und Siedlungen, der geheimen Quartiere und vergessenen Viertel der Städte Varas. Er war eine lokale Berühmtheit auf diesem unwirtlichen Sonnentrabanten aus gefrorenem Gas. Eine schreckliche Berühmtheit, mit der zynische Eltern ihre Kinder schockierten, wenn diese nicht schlafen wollten. Das Resultat, dass nach einer Geschichte von ihm die wenigsten Menschen überhaupt noch an Schlaf denken konnten, wurde oftmals geflissentlich ignoriert.
"Ich komme runter, wir gehen gemeinsam rein."
Ein Knacken in der Ohrmuschel, dann hörte Franc einen Moment die Stille die Ulins Gedanken begleitete.
"Ist gut. Ich warte hier."

Franc stieg die letzten rostigen Sprossen der Feuerleiter, die direkt auf das Dach des Gebäudes führte, hinab und blickte sich um. Kleine Wölkchen hatten sich in der Passage gebildet, hingen unnmotiviert zwischen dem feucht wirkenden Mauerwerk. Der kalte Wind blieb ausgesperrt, dafür sorgte der Sichtschutz aus Brettern am Anfang dieser Sackgasse.
Er konnte Ulin nicht sehen. Sie war nirgends. Vorsichtig und leise schritt er zu dem schattigen Mauervorsprung, dessen Rückseite nicht von der diffusen Natriumlampe erhellt wurde, die hoch oben baumelte. In näherer Umgebung war es das einzige Versteck, welches man ansatzweise nutzen konnte. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie vor dem Eingang auf ihn warten wollte. Er durchdrang den Dampf. Dahinter dicke Dunkelheit, beinahe mit den Fingern greifbar. Er hatte das Okkular des Thermographen zwischenzeitlich abmontiert und auf eine Halterung gesetzt, die er sich nun aus der Stirn über die Augen schob. Ein elektromagnetisches Interface sorgte dafür, dass sich seine implantierten Sehhilfen augenblicklich an die Brille anpassten. Er stellte die Modulation auf Reflektionswärme um. Grünliche Konturen wurden sichtbar.
Eine Mülltonne. Viel Gerümpel, Papier, sonstiger Abfall. Mehrere Glasflaschen. An der zur Tür zu Jebs Heim gegenüberliegenden Wand hing ein abgewetztes Plakat, welches eine längst vergessene Veranstaltung anpries. Diverse Drähte und Leitungen wuchsen aus dem Himmel und verschwanden in einem kreisrunden, faustgroßen Loch über der Tür. Er konnte auch das Ende der Passage erkennen. Das Gebäude war an dieser Stelle vier Stockwerke hoch, hatte allerdings auf dieser Seite keine Fenster. Keines der Gebäude hatte zur Passage zugewandte Fenster. Von Ulin gab es keine Spur.
Franc bemerkte seinen schweren Atem, der nicht alleine auf den hastigen Abstieg zurückzuführen war. Reichlich nervös aktivierte er den Durchdringsmodus des Thermographen und blickte durch die Wand in das, was Jeb gerne als seine Empfangshalle bezeichnete.
Leer. Nichts. Rein garnichts.

Sachte tasteten seine Finger nach der weichen, knetbaren Masse in seiner Manteltasche. Er holte das Crantex hervor und begann, einen kleinen, etwa kirschgrossen Teil davon abzuknubbeln, ohne dabei den Blick von der Tür vor ihm abzuwenden. Geschickt formte er ein kleine Kugel mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand, während die Linke bereits die Zünder suchte. Einer dieser kleinen Fernzünder, den unbedarfte Beobachter durchaus für eine herkömmliche, etwas zu kurz geratene Stecknadel halten konnten, wanderte in die blaue Knetkugel. Alles zusammen pappte Franc in der Höhe des Knaufs auf den Spalt zwischen Rahmen und Tür. Der leichte Frost wirkte wie omnipotenter Zweikomponentenkleber.
Francs Blick schweifte ab. Durchschnitt Beton und Stahl, bohrte sich durch Gestein und Eis. Verließ den Planeten auf seiner rückwärtigen Seite, passierte Sterne und solche, die es einstmals waren. Tanzte mit Tachyonen am Rand des Universums, löste sich von Raum und Zeit.
PUSH THE TRIGGER!
Aus weiter Ferne hörte er bekannte Klänge. Wummernde Beats, von einem pulsierenden Basslauf getrieben.
PUSH PUSH PUSH THE .. TRIGGER!
Der Song der 'tRibe8' spülte in Wellen aus einer anderen Welt heran.
DON'T HESITATE, NIGGER!
Franc trat wie in Trance einige Schritt zurück, ohne sich umzudrehen. Bugsierte sich dann beinahe gleitend zur Seite und schmiegte sich rücklings an die kalte Wand.
PUSH THE TRIGGER!
Die Hand formte eine warme Höhle um den Zünder. Eine kleine Sonne kollabierte lautlos. Tastend fand die Kuppe seines Daumens die runde, glatte Oberfläche des Druckknopfs. Galaxien verglühten. Sehnen im Unterarm und im Handballen spannten sich. Im All ist man immer allein.
Und der Daumen sank.
Kontakt: ICQ :
  • Biopsie - Franc Domidian [CTU](*) - 07.02.2005 0:26:39
    • ( 1 ) - Franc Domidian [CTU](*) - 07.02.2005 0:28:19
    • ( 2 ) - Franc Domidian [CTU](*) - 07.02.2005 0:30:00
    • ( 3 ) - Franc Domidian [CTU](*) - 07.02.2005 0:35:42
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