Sun Tsu blickte aus dem großen Panoramafenster in der 2. Etage seiner Villa auf Palantia. Draußen erstreckte sich die Weite des dünn besiedelten Süd-Kontinents. Die Wirtschaft in dieser Gegend basierte hauptsächlich auf Landwirtschaft, da hier die besten Vorraussetzungen dafür gegeben waren. Die Bevölkerung bestand im wesentlichen aus einer kleinen Oberschicht von Großgrundbesitzern und der breiten Masse ihrer Arbeiter. Eine Mittelschicht gab es nur in den wenigen größeren Städten.
Nach dem Bau seiner Station an der Hope-Passage hatte Sun Tsu diese Villa auf dem Land gekauft und sich nach seinem Rücktritt von seinen Ämtern in der GPEC-Führung komplett hierher zurückgezogen. Zur Villa gehörten ein paar Hektar Land – allerdings kaum mehr als ein Vorgarten im Vergleich zu den riesigen Flächen der Großgrundbesitzer. Sein in den Jahren im All angesammeltes Vermögen und seine Pension als General a.D. der GPEC-Streitkräfte erlaubte es ihm mehrere Hausangestellte zu beschäftigen und ein sorgenfreies Leben zu führen.
Heute würde er wieder in die knapp 2 Stunden entfernte Provinzhauptstadt fahren und an der dortigen Akademie eine Vorlesung in Militärstrategie halten. Das Angebot Vorlesungen zu halten hatte er vor einem halben Jahr angenommen um sich im Ruhestand nicht zu langweilen.
Sein Rücktritt war nicht, wie damals zum Wohle von GPEC bekannt gegeben, aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Bei dem Gedanken dass die Öffentlichkeit dieses Märchen ohne weiteres geschluckt hatte musste Sun Tsu unwillkürlich lächeln. Das ein Offizier und Politiker der eben noch im Krieg volle Verantwortung getragen hatte mit gerade mal 51 Jahren plötzlich nicht mehr in der Lage sein sollte im Frieden sein Amt auszufüllen war geradezu absurd.
Statt dessen hatte er intern mit seinem Rücktritt gegen die Umstände des gerade geschlossenen Separatfriedens mit dem MQ protestiert und jede Verantwortung für die Konsequenzen abgelehnt. Die folgenden Jahre hatten seine Einschätzung mit weiteren Kriegen, großen Verwüstungen und unzähligen Toten auf bittere Art und Weise bestätigt.
„Sir?“ Die Stimme eines seiner Angestellten riss ihn aus seinen Erinnerungen.
„Hm? Steht der Gleiter etwa schon bereit?“
„Nein Sir, sie haben noch Zeit. Eben ist eine verschlüsselte Nachricht für sie eingetroffen.“
„Verschlüsselt?“
Es war lange her, dass eine an ihn gerichtete Nachricht wichtig genug war um verschlüsselt zu werden. Sun Tsu ließ sich das Datenpad mit der Nachricht aushändigen, gab seinen alten GPEC-Code ein und überflog hastig die Nachricht.
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„General Sun Tsu, sie werden mit sofortiger Wirkung wieder zurück in den aktiven Dienst versetzt. Melden sie sich unverzüglich auf der GPEC-Clanstation. Alle weiteren Informationen finden sie in den beigefügten Dossiers. Mit Feindoperationen ist vor allem im Sol und Serpens zu rechnen.
GPEC-Hauptquartier Ende“
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Sun Tsu ließ das Datenpad langsam sinken und starrte hinaus auf den Horizont. Es musste wieder ein neuer Krieg ausgebrochen sein. Diesmal rief das Corps ihn zurück und er würde dem Ruf folgen wie er es immer getan hatte.
„Der Fahrer soll sofort den Gleiter vor fahren und rufen sie den Raumhafen. Die Art of War muss startklar sein, wenn ich ankomme. – Und sagen sie meine Akademievorlesungen für unbestimmte Zeit ab“
„Sehr wohl, Sir“ Der Mann deutete eine kurze Verbeugung in Richtung des immer noch aus dem Fenster blickenden Generals an und beeilte sich aus dem Raum zu kommen.
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Die Fahrt zum Raumhafen der Provinzhauptstadt verlief wie üblich ereignislos. Der Bodengleiter raste nahezu lautlos über die kaum benutzte Schnellstraße, die schnurgerade zwischen den endlosen Feldern verlief. Sun Tsu nahm davon keine Notiz und beschäftigte sich mit den Dossiers die seinem Reaktivierungsbefehl angehängt waren.
Der Kriegsgegner hieß also DUKE, soviel stand fest. Zunächst galt es einen Überblick über die strategische Lage und die Kräfteverhältnisse zu gewinnen, was nicht gerade einfach zu werden versprach. Zumindest war die Fahrt zum Raumhafen entschieden zu kurz dafür.
Die Art of War stand am Rand des kleinen Raumhafens. Es handelte sich um ein Schiff der vielseitig einsetzbaren Wächter-Klasse und wurde nur von einer kleinen Besatzung gesteuert. Abgesehen von den seltenen Fällen in denen Sun Tsu das Schiff selbst benötigt hatte, konnte die Art of War von jedermann für Auftragsflüge gechartert werden und brachte damit ihre Unterhaltskosten wieder ein. Sun Tsu hatte den Wächter nach seinem alten GPEC-Dreadnought benannt, der ihm in vielen Schlachten gute Dienste geleistet hatte.
An Bord herrschte bei Sun Tsu’s Eintreffen noch hektische Betriebsamkeit. Das die letzten Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen waren, versuchte der nervöse Kapitän wortreich zu entschuldigen, was die Verärgerung des Generals darüber nur noch weiter steigerte.
Nach weiteren 15 Minuten konnte die Art of War endlich starten und nahm direkten Kurs auf die Hope-Passage in das Gra’el.