RPG

Sie öffnet die Tür, die zur Ghostbar führen soll.

Bei einem Zwischenstopp am Reebourn Major hatte sie diesen atemberaubend attraktiven Mann kennengelernt, der ihr noch beim Apparativ von dieser Bar erzählte, in der es angeblich die besten Cocktails und schärfsten Kellnerinnen systemweit geben soll. Die Flausen mit den Kellnerinnen hatte sie ihm schnell ausgetrieben, doch etwas, das er ihr erzählt hatte, ist auch nach einer durchwachten Nacht hängen geblieben.

„Dort ist es nicht ganz ungefährlich. Mehr als nur einmal habe ich dort Piraten sitzen und trinken sehen. Zwielichtiges Gesindel. Ich möchte gar nicht wissen, was die alles auf dem Kerbholz haben.“

Sie schon. Nur zu gerne. Lange hatte sie überlegt, was sie eigentlich mit ihrer Zukunft anstellen sollte. Immer häufiger kamen ihre Gedanken beim Thema Geld ohne Kompromisse an. Nach einigen genaueren Überlegungen entschied sie sich, die Laufbahn einer Diebin einzuschlagen.

Und nun steht sie hier. In der Ghostbar, am Tresen, und weit und breit keine furchteinflößenden Piraten zu sehen, bei denen sie anheuern könnte. Ein paar zwielichtig, aber alles andere als gefährlich, aussehende Gestalten sitzen an einem runden Tisch, spielen Karten und schütten Unmengen Rum in sich hinein. Einige von ihnen tragen das Kürzel SGP auf die Bekleidung geprägt. Einige kleinere, aber eindeutig unpiratische, Gruppen stehen hier und dort herum und unterhalten sich.

Sie setzt sich auf einen Barhocker, nippt an dem Martini, den ihr die, zugegebenermaßen gutaussehende, Kellnerin mit den Worten „Sie sind neu hier, oder? Dann sollten Sie unbedingt mit dem Getränk des Hauses beginnen.“ entgegengestreckt hatte. Sie lässt den Blick schweifen und entdeckt, aus diesem anderen Blickwinkel heraus, eine in schwarz gekleidete und halb im Schatten verborgene Gestalt in einer Ecke sitzen. Sie kann nicht viel erkennen, außer langer Haare und einer Hand, die ein Glas mit klarer Flüssigkeit hält. Sie nimmt ihr Glas und schlendert zu dem alleinsitzenden Herren hinüber.

Ein bißchen Spaß kann nicht schaden. Wäre zu schade, wenn dieser Abend vergeudet würde.

Sie lässt sich ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken, schlägt die Beine übereinander und streicht den Saum ihres anthrazitfarbenen Kleides glatt. Schlichte graue Baumwolle mit blutroten Absätzen. Dazu dunkelgraue High Heels aus Nubukleder und keine Nylons. In einer Bar ist es für gewöhnlich überdurchschnittlich warm.

Ihr Gegenüber scheint keine Notiz von ihr zu nehmen. Jetzt, aus der Nähe, schaut sie sich ihn genauer an, bevor sie das Wort an ihn richtet.

Asiatischer Abstammung. Komische Verformungen im Gesicht…Brandnarben? Schwarze Kleidung, schwarze Haare, abweisender Gesichtsausdruck, unnatürlicher Ernst und traurige Augen. Perfekt.