RPG

"Und deshalb, Kadettin Temperance Joyce, haben wir beschlossen, Sie mit Wirkung zum heutigen Tage in den Rang eines Fähnrichs zu erheben.

Seien Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst und erfüllen Sie uns und die Flotte mit Stolz, wie Sie es bereits so oft getan haben, vor allem heute vor fünf Wochen.

Ihre damalige Tat an Bord der Vis absoluta, eines Admirals würdig, ermöglichte uns, eine Reihe von Ausbildungsshuttles zur Verfügung zu stellen, von denen Sie das allererste erhalten sollen. Diese Schiffe werden es uns ermöglichen, unseren jungen Piloten den letzten Ausbildungsabschnitt nahezu autark absolvieren zu lassen. Auf sich gestellt. Allein in den Weiten des Alls. Hier schließlich wird sich endgültig die Spreu vom Weizen trennen. Zu unser aller Wohl. Für den Frieden!

Herzlichen Glückwunsch, Fähnrich Joyce! Alles Gute, liebe Temperance!"

Ein kurzer Applaus, einiges Schulterklopfen. Wohlmeinende Worte und gedrückte Hände. Viele lächelnde Gesichter, nur wenige ernst und nachdenklich. Cannapés und Tapas, gereicht von jungen, langweilig attraktiven Menschen in weißen Uniformen. Etwas Smalltalk, das meiste davon das, was man früher als Seemannsgarn bezeichnet hätte. Dann ein Blick, quer durch den Raum.

Ein feines Lächeln umspielte Leahs Mund als sie auf Temperance zutrat, doch ihre Augen blickten traurig. Ein seltsamer Kontrast. Beunruhigend.

Auch Temperance versuchte sich an einem Lächeln, als ihr die Kommandantin der Vis Compulsiva schließlich gegenüberstand.

Die kurze Berührung, mit der Leah Bachstein eine Umarmung andeutete, ließ Temperance zusammenfahren.

"Meinen Glückwunsch, Fähnrich Joyce. Ich hoffe, Sie wissen, was auf Sie zukommt. Auf sich gestellt. Allein in den Weiten des Alls. Nicht in einem Kommandokreuzer, sondern in einer Nussschale. Einer Nussschale mit PAX-Kennung. Wir meinen das wörtlich. Sie werden auf sich gestellt sein. Und glauben Sie mir, bei allem Wohlwollen, das Sie sich durch die Aufbringung des DAX-Traders Traum erworben haben ... Niemand wird Ihnen eine Träne nachweinen. Man wird sehr schnell vergessen, dass es sie jemals gegeben hat. So wie man sehr schnell vergessen wird, dass es einmal vier Bachsteins gegeben hat. Und so wie man bereits vergessen hat, dass es einmal fünf von uns gab."

Erstarrt versuchte Temperance, sich auf die Worte Leahs zu konzentrieren. Was passierte hier gerade? War da tatsächlich ein Funken Trauer in diesem Saal voller Gleichgültigkeit? Nein, es war wohl einfach nur eine Bekräftigung des Rates, der Temperance unterschwellig gegeben worden war: Pass bloß auf Deinen Arsch auf, Kleines! Verdammt nochmal. PAX-Kennung. Was für eine dreimal verfigg... Natürlich, warum auch sollte man ihr erlauben, sich zu verstecken.

"Schon in Ordnung Fähnrich, ich wollte Sie nicht erschrecken. Vielleicht werden Sie demnächst an einem Austauchprogramm mit einer der freien neutralen Organisationen teilnehmen. Aber selbst dann sitzen Sie noch auf dem Präsentierteller. Also, noch einmal meinen Glückwunsch!"

Leahs Locken wippten, als sie sich im Fortgehen noch einmal umdrehte.

"Ich habe veranlasst, dass man Ihnen Rebeccas Codes überträgt. Sie werden eines Tages ihren Platz einzunehmen haben. Und ja, mein Rat lautet: Pass bloß auf Deinen Arsch auf, Kleines!"

Eine Weile noch sah Temperance, die frischgebackene Kommandantin einer Shuttle-Crew, der Frau in der goldbesetzten weißen Uniform nach. Ihr Sat-Com fiepte bestätigend als die Kommunikationscodes eingingen. Temperance nestelte an ihrem Stilett. Wie zum Teufel sollte sie das überleben. Je mehr sie darüber nachdachte, kam sie dem einen Schluss näher:

"Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße."



11.03.2372 21:25 Uhr Temperance Joyce auf der Trainingsschiff WTF-1 hat soeben ihre Karriere im All gestartet.