RPG

«Du kannst mir echt glauben, ich bin froh, wenn die Sache gelaufen ist. Dann werde ich erst mal meine Süße besuchen und mir ‘n paar schöne Tage am Strand machen, das kannst du mir aber glauben!» witzelte Raúl. Er hatte Jackson auf dem Flur zum Kommandodeck des Frachters wiedergetroffen und erklärte ihm nun lang und breit die Vorzüge Brasiliens. «Glaub mir, das ist was völlig anderes, als die steifen Vorzeigepüppchen bei euch in Nordamerika! Komm doch einfach mit!»

Jackson schüttelte lachend den Kopf. «Hast du eine Ahnung, was meine Alte mit mir macht, wenn die rauskriegt, dass ich mit dir Urlaub mache, statt zurück nach Hause zu kommen? No Way!»

Zischend öffnete sich das letzte Schott vor ihnen. Raúl sah das metallische Blitzen einer Waffe. Reflexartig riss er sein Gewehr hoch und hielt die Luft an.

«Hey, ruhig Blut, Kleiner, das sind unsere Jungs!» Jackson schüttelte erneut den Kopf.

Raúls Herzschlag hatte sich augenblicklich verdoppelt. Seine Brust hob und senkte sich schneller als sonst, während er die Situation erfasste. Die Zivilisten an Bord des Frachters standen alle entlang der Wand direkt vor ihm. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt. Die beiden anderen Mitglieder ihres Teams hielten ihre Waffen auf die Gruppe gerichtet während Alpha-Leader irgendwas in sein Com flüsterte.

«Da seid ihr ja. Das Umladen ist fast abgeschlossen. Jackson, Sie gehen mit Raúl zur Schleuse. Sie werden dort auf das Omega-Team treffen und auf das andere Schiff wechseln. Wir werden hier noch aufräumen und kommen dann nach.»

Ein dicker Kloß machte sich in seinem Hals breit. Hatte er da richtig gehört? Aufräumen? Auch wenn er das Wort sonst nur aus Actionfilmen kannte, so konnte es nur bedeuten, dass man die Crew des Frachters, sowie alle nichtmilitärischen Angehörigen, entweder ihrem Schicksal überließ, oder sie exekutieren würde. Betrachtete man, dass diese ganze Mission streng geheim war, so war die letzte Alternative wahrscheinlich realistischer. «Wenn ich etwas anmerken dürfte, Sir?»

Der Alpha-Leader blickte ihn finster an. «Nein, Sanchez, das dürfen Sie nicht! Und nun machen Sie, dass Sie weg kommen! Wir werden uns später über diese Frechheit unterhalten.»

Raúl war lange genug Soldat gewesen, um zu wissen, dass er nun lieber tat, was sein Vorgesetzter ihm befahl. Sonst würde er den Zivilisten am Ende noch Gesellschaft leisten. Widerwillig drehte er sich um und trat wieder auf den Gang hinaus. Jackson folgte ihm und Raúl konnte deutlich die bohrenden Blicke seines Kameraden fühlen.

Nachdem sie einige Meter zurückgelegt hatten, hörte er aus einiger Entfernung das stakkatoartige Zischen automatischer Blasterwaffen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, während er kurz stockte.

«Na los, komm, denen kannst du eh nicht mehr helfen!» forderte ihn Jackson auf.

Wenn er weiter hier stehen bleiben würde, so war er sich sicher, würde Jackson keine Sekunde zögern und ihn auch über den Haufen schießen. Befehlsverweigerung nannte man so etwas dann später, oder Kollateralschaden. Ohne mit der Wimper zu zucken, setzte er seinen Weg fort und nahm die nächste Abbiegung auf die Backbordseite des Schiffes. In einiger Entfernung waren zwei Männer in schwarzen Kampfanzügen zu sehen. Ihre Ausrüstung war ähnlich wie seine eigene, von der Farbe und den fehlenden Abzeichen mal abgesehen.

In der Grundausbildung hatte er von diesen Truppen gehört. Sie unterstanden den Geheimdiensten und der Abwehr, konnten quasi machen was sie wollten, ohne irgendwem Rechenschaft abzulegen.

Raúl grüßte militärisch korrekt, als sie die beiden erreicht hatten, sein Gruß wurde jedoch nicht erwidert. Stattdessen öffnete sich die Schleuse, in deren Inneren sich ein weiterer Soldat befand. Das Gesicht des Mannes kam ihm irgendwie bekannt vor, doch er konnte die Person nicht einordnen.

«Gut gemacht, meine Herren. Wo ist der Rest Ihres Teams?»

Nun wusste er, um wen es sich handelte. «Guten Tag, Mr. Hayes. Alpha-Leader sowie zwei weitere Mitglieder unseres Teams befinden sich noch auf der Kommandobrücke des Frachters, werden aber in Kürze zu uns stoßen.»

Hayes grinste «Es heißt ADMIRAL Hayes, nicht Mr. Hayes!» zischte er. Ohne zu zögern zog er den kleinen Blaster und gab zwei Schüsse ab.

Raúl hatte keine Chance zu reagieren. Noch bevor er im Ansatz ausweichen konnte, hatte ihn einer der Schüsse bereits zentral getroffen. In seiner Brust machte sich ein stechender Schmerz breit, während ihm der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase stieg. Automatisch verlor er das Gleichgewicht und fiel zu Boden, während er noch ein letztes Mal zur Seite blickte. Auch Jackson hatte es erwischt. Er lag bereits auf dem Boden. Seine Augen sahen irgendwie merkwürdig verdreht aus.

Aus irgendeinem Grund versuchte er, nach seinem Gewehr zu greifen, welches er beim Sturz fallengelassen hatte, doch seine Arme gehorchten ihm nicht mehr. Kälte machte sich in ihm breit und die Bilder vor seinen Augen verschwammen immer mehr. Ein letztes Röcheln, dann wurde alles dunkel um ihn.