RPG

Gelangweilt schlug Temperance die Beine übereinander und zog den kurzen Uniformrock mit dem goldenen Saum bis fast an die Knie herunter. Einmal mehr war sie zm Patrouillendienst abkommandiert worden. Ein Umstand, den TCS Flottenadmiral BigDaddy (wie beeindruckend) ihr bei jeder Gelegenheit ungefragt unter die Nase rieb.

Gestern aber hatte ihre Ausbildungsstaffel an einem echten Einsatz teilnehmen dürfen. Eigentlich hatte nur Temperances eigenes Schiff aktiv eingegriffen. Gideon hatte sie an Pummelfee abstellen müssen, die ohne Kontrolle über zusätzliche Waffen mit ihrem Torpedobomber nicht allzu hilfreich gewesen wäre.

Dennoch: Zum ersten Mal überhaupt hatte sich Temperance wirklich als Teil des Ganzen gefühlt. Als Rädchen in der gut geschmierten Apparatur des Todes, die einmal in Gang gesetzt die vordefinierten Angriffsroutinen abspulte. Rücksichtslos. Unerbittlich. Unwiderruflich. Bis eine weitere kleine Sonne für kurze Zeit den Raum erhellte ..

.. oder der Stoß ins Leere ging und der Feind entkam. Wie oft in den letzten Tagen hatte ihre Staffel mit der Einsatzgruppe Bachstein und den verdienteren Geschwadern Einsätze geflogen, die Temperance nicht erklärlich waren? Wahllose Angriffe in den Pulk der Gegner, auf neutrale und verbündete Einheiten. Ganz offenbar ohne Pazifizierungsabsicht. In mächtigen Wellen, präzise, doch mangels Bewaffnung und Antriebskraft von vorn herein ohne jede Aussicht auf Erfolg. Temperance hatte es einfach nicht verstanden!

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihren Atem. Jetzt, im Zustand der Entspannung war sie unruhig, getrieben wie ein Raubtier im Käfig, gierig nach einer weiteren Herausforderung. Gestern aber ..

.. Ruhig und beherrscht hatte sie die Befehle erteilt und ihre Eurydike in Position gebracht, die Waffen ausgelöst und kühl lächelnd durch das Panzerglas der Brücke hindurch beobachtet, wie sich die Vis Absoluta unter Triebwerksvollast direkt in das feindliche Schiff zu schieben schien, das sich unmittelbar vor dem PAX-Kreuzer, buchstäblich in letzter Sekunde plötzlich zerlegte.

Ebenso ruhig und beherrscht hatte sie zugesehen wie der fortgeschleuderte Reaktor des Schiffes in einen gleißenden Lichtblitz aufging. Wie die restlichen Schiffe mit der ein kurzes Leben versprechenden TCS-Kennung das Gefecht verließen und wie die ausführenden PAX-Einheiten ihre Such- und Sicherungsroutinen ausführten.

Adrenalin! Darum ging es ihnen bei den Geplänkeln der letzten Tage also! Temperance war noch lange nicht bereit, das wusste sie. Aber sie war nun kein Rooky mehr. Gefechtsgewohnt und ruhig hatte geholfen, das flüchtende Schiff zu verfolgen und zusammen mit den Deus ex machina-Kreuzern den Feind zu stellen, schneller noch als dieser in seiner Panik den Landevorgang einleiten konnte.

Vielleicht waren die Nappel-Dukes deshalb ebenfalls dazu übergegangen, neutrale Einheiten zu vernichten? Training? Kampferfahrung? Wer wusste schon, was im Feind vorging.

Ein Lächeln schlich sich auf das Gesicht der jungen Frau. Eigentlich gar nicht so schlecht, so ein ruhiger Tag auf Nahbereichspatrouille rund ums Landedeck. Wie hieß es nach dem erfolgreichen Einsatz gestern in der Kantine? Leid tun kann er einem ja schon? Temperance dachte anders. Sie hatte Worte wie "Ausrottung" im Ohr. Ob sie auch heute etwas von BigDaddy hören würde? Temperance war schon sehr gespannt. Ein wenig freute sie sich sogar darauf.