RPG

Eine raue Frauenstimme schallt durch die leicht heruntergekommene Kurierfliegerkaschemme.

„Stevie, bring mir noch einen von denen hier.“ Die Hand der Kundin offenbart knallrot lackierte Fingernägel von der Länge einer halben Salzstange, als sie geflissentlich auf die drei leeren Longdrinkgläser vor ihr weist.

„Kommt sofort, Amy.“ Der Barkeeper macht sich daran, ein weiteres Glas mit Eiswürfeln und einer klaren Flüssigkeit zu füllen und mit Limettenscheiben lieblos zu garnieren. Dann läuft er auf seinen riesigen Plattfüßen platschend zu dem Tisch der Dame hinüber und stellt ihr das Getränk mit breitem Grinsen und einem tiefen Blick in ihr ausladendes Dekolleté hin. „Wenn du sonst noch was brauchst, meine Hübsche, du weißt, wo du mich findest.“ Er zwinkert ihr unbeholfen zu und watschelt zurück hinter die Theke.

Die drei Herren am Tisch starren sie mit leicht hängenden Unterkiefern an, wie sie ihr Glas nimmt und daran nippt, es wieder absetzt und dabei jedes Mal zwangsläufig an ihrem Ausschnitt vorbei führt. Sie wirft mit einer fließenden und überraschend grazilen Geste ihre gebleichten und dauergewellten Haare über die Schulter zurück und erzählt ihre Geschichte mit ihrer herben und rauchigen Stimme weiter:

„Da steht also dieser gerüschte Affe vor mir, winkt seine Mainzelmännchen ran und die kommen mit all diesen kleinen Paketen. Soweit so gut, dachte ich mir, kassierte den Vorschuss ein und machte mich auf zum Pluto.“ Ihr rechter Zeigefinger fährt bei der Erzählung Runde um Runde am Rand des Glases vor ihr entlang. Einer ihrer Zuhörer blinzelt in regelmäßigen Abständen zwischen ihrem Finger und dem ausladenden Vorbau hin und her. Die anderen bemühen sich, ihr gedanklich zu folgen. Der Ältere der Männer, ein betagter Auftragsflieger, wie die verhornten und kräftigen Hände schließen lassen, stößt den Gaffer unsanft mit dem Ellbogen in die Rippen, woraufhin dieser aus seiner, offenbar höchst angenehmen, Trance hochschrickt.

„Ich bin auch schon fast am Ziel, hatte unterwegs noch Halt gemacht bei meinem Lieblings-Friseur, ich hatte schon einen 5mm-tiefen Ansatz, als ich durch die Spelz-Dinkel-Passage rumpeln muss. Immer wieder ein Höllenritt. Wenn ich nicht so viel Geld ausgeben würde, um mein wahnsinniges Aussehen zu pflegen, hätte ich mir schon längst ein neues Schiff leisten können. Aber wie dem auch sei, wo war ich?“ Gespielt nachdenklich legt sie sich ihren rechten Zeigefinger an die Lippen und schaut gedankenverloren an die schmutzige und rissige Spelunkendecke.

„Aussehen, ich meine, Durchflug, Passage ins Sol-System...“ räuspert sich der mittlere der Männer.

„Ach ja, genau. Auf jeden Fall fliegt mein Pilot die normalen Koordinaten an und als es anfängt etwas ungemütlich zu werden, aber nicht mehr als sonst auch, versteht mich nicht falsch, ich bin sehr erfahren auf diesem Gebiet, fängt es im Frachtraum mächtig an zu klirren und zu klappern. Ich spurte also so schnell nach hinten, wie es mein Kleid zu lässt, und finde diese merkwürdig kleinen Pakete, die dort alle vor sich hin vibrieren und klackern. Nicht richtig festgezurrt von den Mainzelmännchen. Ich wollte das ja meinen Jungen machen lassen, aber der Affe wollte das nicht. „Nicht anrühren!“ hatte er mir hysterisch entgegen geschleudert.“ Sie schüttelt ihre weißblonden Locken.

„Und dann, am Pluto?“ Ihre Kunstpause geht auf, das Jüngelchen steigt voll drauf ein.

„Und dann am Pluto erwartet mich ein anderer gebügelter Affe, ruft seine eigenen Mainzelmännchen, grunzt was von „Top Secret, Missis!“ und bezahlt mir den stattlichen Rest. Ich würde meinen Titanbackenzahn dafür geben, zu erfahren, was in diesen Paketen war...“ Sie dreht, diesmal wirklich gedankenverloren, an einer ihrer Locken. Den Männern an ihrem Tisch rutschen die Augen wieder in den Spalt, den ihr Busen in dem engen Ausschnitt bildet und Stevie beschießt sie alle drei erneut mit stummen, und wenn sie könnten, tödlichen Blitzen aus seinen Augen.