RPG

Mit schweren, schlurfenden Schritten nähert sich der bärtige Mann mit dem vom vielen Biergenuss gekennzeichneten Bauch der anvisierten Quartierstür. Direkt davor bleibt er stehen, atmet tief ein und sein, mit Hornhaut überzogener, Finger verweilt leicht zitternd einen Moment vor dem Touchpad. Erneut atmet er tief durch, kneift kurz die Augen zusammen und berührt das, was er schlichtweg „Klingel“ nennt.

Aus dem hinter der Tür liegenden Raum hört er erst das Piepen, welches von ihm ausgelöst worden ist, dann gedämpfte Stimmen, Unruhe und schließlich leise tappsende Schritte.

Die Tür gleitet zur Seite und vor ihm steht seine Chefin, in einen Bademantel gehüllt und lachend. Als sie ihn erblickt, verfinstert sich ihr Gesichtsausdruck. „Sieht nicht so aus, als ob du den Wein bringen würdest...“ Sie schaut genauer hin, stockt und „...was ist passiert?“

Mit knappen Worten berichtet er ihr, was sich an Bord der Kia Kaha abgespielt und womit es geendet hat. Dankbar sieht er, wie Derek auf sie zueilt und Athena in die Arme nimmt, als sie Anstalten macht, in die Knie gehen zu wollen, ein vollkommen untypisches Zeichen von Schwäche. „Ich geh' mal los, den Calvados zu holen.“

In den darauf folgenden Stunden segnet die Flasche das Zeitliche und mit abnehmendem Flaschenpegel fasst sich Athena wieder.

„So“, verkündet sie gegen 4 Uhr morgens, „dann wollen wir mal.“ Sie stemmt sich vom Sofa hoch, geht, überraschend sicher, ins Bad und kehrt kurz darauf in ihrer Arbeitskleidung zu den beiden ratlos dreinschauenden Männern zurück.

„Was ist nun, kommt ihr, oder muss ich das alleine erledigen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten verlässt sie ihr Quartier und wendet sich auf dem Flur nach links, in Richtung Aufzug zur Brücke. Die beiden Zurückgelassenen guckten sich einen Moment verdutzt an, sprangen dann jedoch auf und stürzten ihr nach: der eine mit der leeren Calvadosflasche in der Hand, der andere noch im Bademantel.

____________________


„'n Abend, meine Herrschaften. Diese Nachricht geht an die Zerstörer der Assassine M.I.S.S. Kia Kaha.

Ihr miesen kleinen...“

Aus dem Hintergrund ertönt ein scharfes „Thena!“, die Frau vor der Kamera guckt ein wenig betreten, ein wenig aufmüpfig und noch wütender. „Was...?“ zischt sie zurück, wendet sich dann aber wieder um, räuspert sich und fährt fort.

„Ihr habt ein manövrierunfähiges Schiff überrollt. Herzlichen Glückwunsch, so eine mutige Tat kann auch nicht jedem Hirn entspringen. Wie dem auch sei, ich gehe mal vom Besten aus und vermute, ihr habt ein, wie auch immer verkümmertes Gewissen: die Conaghy konnte das neue Schiffskontrollsystem nicht händeln und stand des öfteren in den letzten Tagen bewegungslos irgendwo herum in der Hoffnung, das Promillesystem überlisten zu können.

Ach, was soll's, ihr versteht eh nichts davon...“