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es war einmal...

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Oxana schrieb am 28-02-2008 21:03:48 : Die Geschichte der O.
Sie lag auf dem Rücken und schaute hoch zu den Sternen. Wie so häufig war die Nacht klar und die wenigen Lichter am Boden machten es noch leichter, den funkelnden Himmel zu betrachten. Sie war allein, und sie genoss es. Die ständigen Hänseleien ihres Bruders hatten wieder einmal Überhand genommen und sie war davon gelaufen, wie so oft. Hier, auf dem leicht geneigten Dach der Werkstatt war ihr Lieblingsplatz, wenn sie allein sein wollte - allein mit den Sternen.

Oxana schlug die Augen auf, doch Sterne konnte sie keine sehen. Was sie sah war immer noch der dunkle Raum mit den Regalen. Nichts hatte sich in der Zeit ihres kurzen Traums verändert - in der Zeit einer ihrer seltenen Erinnerungen an die Vergangenheit. Und so sehr sie sich auch wünschte, den Anblick ihres “Gefängnisses” ausblenden zu können, so sehr hatte sie auch Angst davor, die Augen wieder zu schließen; Angst davor, zurück zu kehren, dorthin wo die Geister längst vergangener Jahre auf sie lauerten.

Ungewollt waren die Gedanken gekommen, die Gedanken an ihre Kindheit. Oxana scheute sich davor, die Erinnerungen wach zu rufen. Sie wollte sie nicht, hatte Angst vor ihnen, den Ereignissen, die nun schon fast 20 Jahre zurück lagen; und sie hatte es geschafft, sie zu verdrängen. Bis eben grade. Sie wusste nicht, warum es passiert war, aber sie spürte, dass es noch nicht vorbei war, dass noch mehr Erinnerungen kommen würden. In der ausweglos erscheinenden Situation der Gegenwart, schien sich ihre Vergangenheit genötigt zu fühlen, noch einmal auf sich aufmerksam zu machen. Oxana lehnte den Kopf zurück, schloss die Augen und tastete sich langsam vor. Bizarre Bilder und Gedanken tauchten in ihrem Kopf auf. Vielfach durcheinander, wenig geordnet und vielleicht auch nicht immer korrekt. Manchmal drehte ihr Unterbewusstsein sich die Erinnerungen so hin, wie es grad passte.


“Nun lass dich endlich fallen! Ich bin hier und fang dich auf. Vertrau deinem Vater.” Sie hatte sich mal wieder vor ihrem Bruder in Sicherheit bringen wollen und war in den Dachstuhl des Bootshauses geklettert. Dorthin, wo ihr größerer und schwererer Bruder ihr nicht folgen konnte. Der jedoch gab sich nicht so einfach geschlagen und hatte kurzerhand eine Leiter und einige Bretter verschoben, so dass Oxana nun “gestrandet” war, im Gebälk des alten Gebäudes.
Hier hatte sie gehockt und darauf gewartet, dass ihr Bruder endlich die Lust verlor, sie zu beschimpfen, sie lächerlich zu machen. Nachdem er gegangen und sie allein war, musste sie einsehen, dass sie sich ohne fremde Hilfe nicht aus ihrer misslichen Lage würde befreien können - zumindest nicht, ohne sich dabei ernsthaft zu verletzen. Und mit einem verstauchten Knöchel oder gar einem gebrochenen Bein und auf Krücken war sie ein viel zu leichtes Opfer für die miesen Ideen ihres Bruders und seinen Freunden.

Entscheidender war allerdings, dass ihr Vater sie verletzt niemals mit hinausnehmen würde aufs Meer, zu den Riffen, den Muschelbänken und den unterseeischen Farmen. Zu den Plätzen, die sie so liebte, und denen ihre Familie ihren Wohlstand verdankte.



Es war vermutlich kein Zufall, dass sie sich grad jetzt wieder an diese Situation erinnerte. Schliesslich war Oxana im Moment ähnlich hilflos wie damals. Nur würde ihr Vater diesmal nicht für sie da sein, konnte ihr nicht helfen. Ob sie überhaupt noch auf Hilfe hoffen konnte? Ganz bestimmt! Blake würde nicht eher Ruhe geben, bis er sie wieder gefunden hatte. Aber wo war er nur? Warum lies er sich so lang Zeit, sie zu finden, ihr zu helfen? Blakes Gesicht mischte sich mit ihrer Erinnerung an ihren Vater, der noch immer unter ihr stand.

“Wenn du jetzt runter kommst, dann nehme ich dich heute Abend mit hinaus.” Ihr Vater kannte sie besser als jeder andere Mensch und wusste genau, wie er sie anpacken musste. Ohne länger zu zögern ließ Oxana das Stahlrohr los, an dem sie sich lange festgehalten hatte und fiel hinab in die Arme ihres Vaters, von Blake keine Spur.

“Na, was hab ich dir gesagt? Ich bin da und fang dich auf.” Er hatte mal wieder Recht behalten, wie üblich. So wie damals, bei einer ihrer ersten gemeinsamen Fahrten hinaus aufs Meer. Sie hatte beim Tauchen an einem alten Schiffswrack eine Münze entdeckt und ihm davon erzählt, ihn gebeten, ja angebettelt, die Münze für sie zu bergen. Sie käme nicht an sie heran, ihre Arme wären zu kurz, hatte sie gesagt und versucht ihren Vater mit ihrem flehenden Blick weich zu kochen. Aber er erkannte, dass sie nur zu faul war, dass sie aus der wärmenden Sonne nicht wieder hinab wollte in das derzeit ungewöhnlich kalte Wasser.

“Wenn du etwas wirklich willst, dann warte nicht, bis es zu dir kommt. Wenn du etwas willst, dann musst du es dir nehmen!”

Es hatte mehrere Tauchgänge gedauert, bis Oxana endlich einen Weg zur Münze gefunden hatte; doch sie hatte nicht aufgegeben, bis sie schließlich das Goldstück an Bord des Bootes in den Strahlen der Sonne hatte funkeln sehen.

Dieser Moment hatte sich - zusammen mit den Worten ihres Vaters - auf ewig in ihr Gedächtnis eingeprägt. “Wenn du etwas wirklich willst, dann warte nicht, bis es zu dir kommt. Wenn du etwas willst, dann musst du es dir nehmen!”


Sie wollte ihre Freiheit, sie wollte aus ihrem ‘Gefängnis’ heraus - aber das war nichts, was sie sich so einfach nehmen konnte. Sie war allein; das monotone Brummen, hervorgerufen vom Vibrieren der Schiffstriebwerke, der einzige sich verändernde Reiz, der von Außen an sie herangetragen wurde. Ähnlich so wie damals im Boot, als sie hinaus gefahren ist, einfach weg.

Nachdem sie ihre Mutter, die ihre eigene Tochter nicht mehr erkannte, beim Arzt abgeliefert hatte, war sie hinausgefahren aufs Meer. Hatte den Motor auf langsame Fahrt gestellt, das Ruder fest geklemmt und sich mit Rum betrunken. Eigentlich war für die Piratin alles, was ihr Vater liebte, auch für sie etwas Gutes. Aber seit jenem Tag konnte sie keinen Rum mehr sehen - und wenn es noch so sehr das Lieblingsgetränk ihres Vaters gewesen war!
Als sie aus ihrem Rausch erwachte, mit nahezu unerträglichen Kopfschmerzen, da war rings herum nur Wasser. Kein anderes Boot, nirgendwo ein Segel, kein Land in Sicht. Sie war weit weg von Allem
- und allein.


“Wie kannst du mich hier einfach allein lassen?” Ihre Mutter, die in den letzten 8 Monaten im Grunde nur noch geflucht oder in unzusammenhängenden Sätzen gesprochen hatte, sprach plötzlich klar und deutlich. “Allein! Du lässt mich hier einfach so allein, bei all den Verrückten?” Der Arzt, der Oxana und ihre Mutter empfangen hatte, machte ein Gesicht, dass Oxana als “Das ist keine Seltenheit. Beachten Sie das einfach nicht!” interpretierte. Sie hielt noch immer die Hand ihrer Mutter. Aber das Bild, das Oxana von ihrer Mutter in Erinnerung hatte, verblasste mehr und mehr. Eine wehrlose Gestalt, zusammengekauert in einem Rollstuhl, der der Arzt eine Injektionspistole an den Nacken setzte.

“Welch ein Glück, sie schlafend zu erwischen. Ich hatte eigentlich vermutet, sie wie eine Löwin kämpfend zu erleben.” Oxana schlug die Augen auf und versuchte, sich dem Griff des Mannes vor ihr zu entwinden. Doch noch bevor sie wirklich zu einer Gegenwehr ansetzen konnte, vernahm sie das Zischen der Injektionspistole und spürte gleichzeitig einen stechenden Schmerz an ihrem Hals. Der Mann vor ihr war sicherlich kein Arzt. Ärzte bereiten einem nicht solche Schmerzen!

Wäre der Knebel in ihrem Mund nicht gewesen, so hätte sie laut geschrien. So aber blieb ihr nur ein dumpfes Stöhnen, bevor ihr Geist wieder in Dunkelheit versank.
upic
Yes - I'm greedy
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