Stories

Als sie heute Morgen das Bett verlassen hatte, wusste Imelde, dass es ein guter Tag werden würde. Als dann die Nachricht von Genzo kam, bestätigte sich ihre Vorahnung. Den ganzen Tag über hatte sie sich vorgestellt, wie das Aufeinandertreffen mit Shii verlaufen würde. Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf während im Hintergrund die wenigen verblieben Erinnerungen an das was er mit ihr getan hatte erneut aufflammten.

Nun wo sie vor ihm stand, war ihr Verstand wie leergefegt. Dort wo die vielen Fragen waren, befand sich nur noch ein schwarzes Loch das aus Hass und Wut bestand. Mit kleinen schritten näherte sie sich ihm und ballte ihre Hände so fest zu Fäusten, dass die Knöchel weiß anliefen. Shii zeigte kaum eine Regung. Erst als sie unmittelbar vor ihm stand hob er den Kopf.

«Prinzesschen? Du, hier? Lange nicht gesehen.»

Shiis Stimme klang leise. Die Erschöpfung war ihm deutlich anzumerken. Imelde löste eine der Fäuste und zog seinen Kopf an den Haaren nach oben. «Du hast doch keine Ahnung, mieses Schwein!» Imelde fühlte sich, als würde sie gleich explodieren müssen. Ohne zu zögern hob sie die noch zur Faust geballte Hand, holte aus und schlug Shii ins Gesicht.

Unter Wucht des Schlages spürte sie, wie sein Jochbein nachgab und knirschte. Ihr Schlag hatte eine Platzwunde hinterlassen in der es weiß glitzerte. Auf ihrem bis eben noch weißen Kleid befand sich nun ein unregelmäßiges Muster verschiedengroßer Blutflecken. Imelde spürte, wie die Wut in ihr kaum merklich abebbte. «Du mieses Arschloch, wenn ich die richtigen Werkzeuge hätte, dann schöre ich dir, ich würde dir das gleiche antun, was du mit mir vorhattest! Ich würde deinen ganzen Körper in kleine Stücke schneiden!»

Wieder holte sie aus und schlug ihm mitten ins Gesicht. Dieses Mal traf sie seine Nase die ebenfalls sofort brach und zersplitterte. So ging es mehrere Minuten lang. Imelde schlug auf ihn ein, gefolgt von einer Reihe verschiedener Beleidigungen. Mit jedem Schlag wurde das schwarze Loch in ihrem Kopf kleiner, fast so als würden die Schläge und das Blut all die Wunden in ihrer Seele heilen lassen.

Shii stöhnte nur noch. Sein Atem war schwer und spuckte Blut aus dem, was einmal sein schiefer Mund gewesen war. Sein Gesicht war durch die Tortur aufgequollen wie einer dieser Badeschwämme. Niemand der ihn mal kannte, wäre in der Lage gewesen aus der blutigen Masse zu erkennen, wen er vor sich hatte. Imelde versuchte, sich das Blut von den Knöcheln zu wischen, stellte dann jedoch fest, dass es ihr eigenes war. Ihre Handknöchel hatten der Belastung der Schläge nicht standgehalten und wiesen verschiedene Platzwunden auf. «Du wirst niemanden mehr quälen, hörst du? Niemanden!» flüsterte sie leise während ihr eine dicke Träne die Wange hinunterlief.

Shii hatte inzwischen sogar aufgehört zu röcheln. Für einen Moment fragte Imelde sich, was passiert sein musste, dass sich in seinem Hirn der Wunsch eingeprägt hatte andere Menschen zu quälen, doch das spielte nun keine Rolle mehr. Er würde nie wieder jemandem etwas antun. Nie wieder…