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Oxana war seit einigen Minuten aus der Dusche raus, jetzt saß sie wieder auf dem Bett und überlegte, wie sie ihre Situation ändern könnte. Entgegen ihren ersten Hoffnungen war der Mann, der sie festhielt, niemals unvorsichtig gewesen. Es gab einige Punkte, die die Piratin noch immer annehmen ließen, dass er kein wirklicher Profi war, dennoch hatte sie bislang keine Gelegenheit bekommen, auch nur den Ansatz einer Flucht zu starten.

Wieder gingen ihre Gedanken ein wenig mit ihr durch und sprangen in ihrem Kopf wild hin und her. Irgendetwas schien sich dort nach oben wühlen zu wollen, aber sie bekam den Gedanken einfach nicht richtig zu fassen. Einen Augenblick sah sie sich den Mann überwältigen, doch wusste sie nicht, wer dann eventuell im nächsten Raum auf sie warten würde. Immerhin hatte er vorhin von ‘wir’ gesprochen. Dann hatte sie plötzlich Bilder von Charo und den Zwillingen vor Augen, sicherlich getrieben durch die Angst, die Rabauken nie wieder zu sehen. Der Gedanke an Blake, der sie sicherlich noch immer suchen würde, beruhigte sie ein wenig. Sie würde ihn auch solang suchen, bis sie ihn gefunden hatte.

Das letzte Mal, als sie ihn suchen musste, da waren sie...Oxana versuchte die fliegenden Gedanken in ihrem Kopf ein wenig zu zügeln und zu ordnen. Wo waren wir, als ich Blake das letzte Mal gesucht habe? Es gab so viele Erinnerungen, die plötzlich wieder auftauchten. Aktionen in der Rumdestillerie von NLS auf dem Meo. Der Überfall von NLS auf Lins Station. Lange Abende auf dem Frasu, im Haus von Smalls und Charo. Und in der jüngsten Zeit hatte Oxana Blake in allen Systemen gesucht - erfolglos. Er hatte sich aus dem aktiven Leben als Kommandant einer Brigantine zurück gezogen. Nur bei besonderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel diesem Cruiseliner Unternehmen. Oder als sie zusammen in der alten ‘Ghostbar’ waren. Der Besuch dort war zumindest erfolgreich gewesen, auch wenn er letztlich die Zerstörung der Bar nach sich gezogen hatte. Der Brand, der es erst möglich gemacht hatte, dass Boa mit ihren Angestellten auf Oxanas Station gewechselt war. Der Brand...der Brand?...Der BRAND!

Die Piratin stand ruckartig auf und hielt an dem einen Gedanken fest. Brand, Feuer, Rauch, Rauchmelder... Wieder begann ihre Gedanken sich zu überschlagen und sie musste sich zur Ruhe zwingen, um die Gedankenkette zu einem vernünftigen Plan zu bringen.



Unterdessen in einer anderen Kabine des Kreuzfahrtschiffes

”Wenn ich ihm zu nahe komm, könnte es unangenehme Folgen für Oxana haben. Er kennt mein Gesicht ganz genau. Wer weiß, vielleicht hat er Komplizen, die er immer wieder auf mich ansetzt.” Blake sprach zu Kathrin und Mike, die sich in seiner Kabine eingefunden hatten. Nun, eigentlich sprach er auch zu Dave, aber der war zu sehr mit der Mahlzeit beschäftigt, die er in der Kabine vorgefunden hatte. Blake hatte sich so einiges bestellt, nur um dann festzustellen, dass er keinen Bissen hinunter bekommen konnte. ”Daher solltet ihr zwei es übernehmen, den Sicherheitschef zu verfolgen. Zumindest soweit es eben geht. Das wir zu bestimmten Bereichen des Schiffs nicht so schnell Zutritt bekommen werden, ist uns allen klar.”

Kathrin und Mike nickten bekräftigend, Dave grunzte nur mit vollem Mund. Blake wollte grad fortfahren, seine Überlegungen mit den anderen zu teilen, als aus Lautsprechern, die in jeder Kabine installiert waren, die freundliche Stimme einer Stewardess erklang.

”Verehrte Reisende. Wir erreichen in Kürze den Bepinus, im System Miras. Nach einem kurzen Aufenthalt am Kreuzfahrt-Terminal wird die ‘Caracas Nights’ hier für einige Stunden in der reedereieigenen Werft andocken. Wie Sie aus Ihren Reiseunterlagen wissen, müssen alle Passagiere das Schiff während des Werftaufenthalts verlassen. Sie haben alle eine der Möglichkeiten für den Aufenthalt auf dem Bepinus bei ihrer Buchung ausgewählt. Sollten Sie für das Verlassen des Schiffes Hilfe benötigen, so setzen Sie sich bitte mit einem Ihrer Deckstewards in Verbindung, oder wählen sie die 311 auf dem Schiffscom.”

Diese Entwicklung war zumindest für Blake absolut neu, hatte Oxana sich doch um die Tickets und alle anderen administrativen Dinge gekümmert. ”Wusstet ihr davon?”
Kathrin und Mike nickten. ”Ja, ich musste beim Einchecken auf dem Elarian eine entsprechende Auswahl treffen. Aber ich hab dem Ganzen keine große Bedeutung zugemessen, weil ich annahm, dass ich bis zur Ankunft auf dem Bepinus meine Aufgabe ohnehin erledigt hätte. Ich denke, ich sollte die Reiseleitung über die Änderung meiner Pläne informieren.” Mike stand auf und war im Begriff, vom Com in Blakes Kabine die Reiseleitung zu kontaktieren.

”Mike, ich denke, das wäre keine gute Idee. Nutz lieber deinen eigenen Kabinencom. Wer weiß, in welcher Art und Weise Blakes Anschluss vielleicht überwacht wird. Wenn du dich darüber meldest, kann man zu leicht eine Verbindung zwischen euch herstellen.” Kathrin bewies einmal mehr, dass Smalls sie nicht ohne Grund für die Aktion ‘Cruiseliner’ eingeteilt hatte. Auch wenn das Geschehen eine absolut ungeplante Wendung genommen hatte, Kathrin zeigte, dass sie sich ungewöhnlichen Situationen entsprechend anpassen konnte.

”Du hast natürlich Recht. Das werde ich gleich nach unserer Besprechung hier tun.” Mike setzte sich wieder.

Die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher beendete grad ihre Durchsage, die mit allerlei Hinweisen zu möglichen Ausflügen auf dem Bepinus gespickt war und auch Informationen enthielt, wie der Prozess des Aus-und-wieder-Ein-Checkens gehandhabt werden würde.

”Ich weiß zwar nicht, welche Option bei unser Buchung gewählt hat, aber ich werde mich auf keinen Fall zu weit vom Schiff wegbewegen. Mike, könnten uns die Pläne, die du uns mitgebracht hast, eventuell dazu verhelfen, in die Werft zu gelangen? Wenn an Bord des Schiffes zwei Arbeiter mehr rumlaufen, sollte das kein all zu Großes Aufsehen erregen.”

Mike bestätigte Blakes Frage positiv. ”Worauf willst du hinaus? Was hast du vor?” Auch wenn er schon in etwa ahnte, was Blake sich überlegt hatte, so wollte er die Frage dennoch aussprechen.

”Ich bleibe dabei, dass du, Mike, zusammen mit Kathrin versuchen solltet, den Sicherheitschef des Kreuzfahrers aufzuspüren und möglichst so zu beschatten, dass er es nicht merkt und dass wir den Bereich eingrenzen können, in dem er Oxana vermutlich festhält. Ich werde mit Dave als Werftarbeiter ‘anheuern’ und versuchen, direkt wieder auf das Schiff zu gelangen.”

Nach weiteren Diskussionen über diverse Eventualitäten, Treffpunkte für den Fall, dass man sich innerhalb der Teams verlieren würde, und über die notwendige Kommunikation trennte sich die kleine Gruppe. Jeder war die nächste Stunde so mit Vorbereitungen beschäftigt, dass für weitere Aktivitäten an Bord kaum Zeit blieb.

Etwa zweieinhalb Stunden nach der Durchsage senkte sich das riesige Kreuzfahrtschiff auf den Landeplatz vor dem Terminal auf dem Bepinus hinab. Zum Glück für die SGP’ler gab es eine Einreisekontrolle, der sich auch die Crewmitglieder nicht entziehen konnten. So gelang es Kathrin und Mike, sich an die Fersen des Sicherheitschefs zu heften, dem mutmaßlichen Oxana-Entführer.


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