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Sie wunderte sich, warum sie so kühl blieb, warum sie sich selbst so gut unter Kontrolle hatte. Nachdem Kathrin die Bilder auf ihren Com kopiert hatte, schob sie das Datapad aus der Jacke des Unbekannten wieder dorthin, wo es herkam. Es schien ihr selbst, als hätte sich die motorische Komponente ihres Verstandes von der emotionalen losgelöst. Wie ein Schlafwandler, mit der sprichwörtlichen Sicherheit, hatte sie die Jacke nach weiteren Hinweisen abgesucht. Aber der Unbekannte blieb vorerst weiter ein großes Fragezeichen. Danach hatte sie nur noch warten können.

Die Nachricht, die sie von Mike bekam, bereitete ihrem Warten ein jähes Ende. ”Kathrin, komm zum Cruiseliner. Vergiss den Unbekannten.” Diese Worte machten ihr Hoffnung, dass Blake und Dave Oxana gefunden hatten. Doch die nächsten Zeilen machten diese Hoffnung schnell zunichte. ”Blake will alle Kräfte an Bord der ‘Caracas Nights’ haben. Ich hab noch keine Ahnung, wie wir da wieder raufkommen. Aber nach Blakes Reaktion auf die Bilder würde es mich nicht wundern, wenn man uns anflehen würde, an Bord zu kommen - um einen Berserker zu beruhigen! Ich treffe dich am Besuchereingang der Werft. Beeil dich! Mike.”

Kathrin verließ ihre Kabine und erfrischte sich mit etwas Wasser am Waschbecken. Sie hatte die letzten Minuten nicht mehr wirklich wahrgenommen, was neben ihr passierte. Daher war sie überrascht, als plötzlich eine Tür aufflog und der Mann, der mit Oxanas Verschwinden zu tun hatte, zufrieden grinsend hinter ihr auftauchte. Kathrin schaute in den Spiegel und sah, wie er den Knopf seiner Hose schloss und den Gürtel festschnallte. In der Kabine konnte sie eine Frau sehen, die sich glücklich ihre Bluse schloss. Wut brandete in Kathrin auf.

Der Mann hinter ihr schien auch an das Waschbecken zu wollen, doch Kathrin machte keine Anstalten, sich davon weg zu bewegen. Das Abenteuer in der WC Kabine schien dem Mann zu besonders guter Laune verholfen zu haben, denn er beschwerte sich nicht, als Kathrin keinen Platz machte, sondern ging fröhlich pfeifend aus dem Damen WC hinaus. Kathrin musste sich davor hüten, hinter ihm her zu rennen, um ihm den Hals umzudrehen. Sie schluckte mit Mühe einen bitteren Kommentar hinunter, der ihr zu dieser miesen Type auf der Zunge lag.

Die fremde Frau hatte sich inzwischen neben sie gestellt, lehnte mit halbgeschlossenen Augen an der Wand. Dann blickte sie fragend zu Kathrin hinüber, die sie aber nur abwertend taxierte. “Was?” Die Fremde schaute an sich hinunter, dann wieder zu Kathrin, unter deren Wangen es seltsam zuckte. “Was ist? Hab ich noch irgendwo Sperma? Oder warum...Ah! Jetzt weiß ich, warum du mich so anschaust. Oh, Schwester, tut mir leid, wenn ich dir diesen tollen Typen vor der Nase weggeschnappt habe. Du wolltest ihm sicher auch an den Po fassen und dich von seiner Männlichkeit verwöhnen lassen, hm?” Sie fasste Kathrin ans Kinn, so wie es eine Mutter voller Mitleid bei einem Kind tun würde. Doch Kathrin benahm sich weniger stilvoll. Der Gedanke, dass der miese schmutzige Kerl sich vergnügte, während Oxana irgendwo vermutlich Höllenqualen litt, war schon schlimm genug. Als nun die Fremde so begeistert von ihm sprach und Kathrin unterstellte, dass sie sich auch gern mit ihm auf der Toilette vergnügt hätte, da konnte sie ihrem Drang nicht länger widerstehen.

Ihr Magen krampfte sich zusammen. Und obwohl Kathrin im Restaurant nicht viel gegessen hatte, reichte es aus, um die Bluse und den Rock der Fremden mit Erbrochenem zu bespucken.


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