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Natalie öffnete die Augen. Sie war eingeschlafen. Im ersten Moment wusste sie nicht wo sie war, bis sie sich an ihre Flucht von der Erde, an den geklauten Overall und den Zerstörer erinnerte. Sie wusste noch, dass sie gehört hatte wie die Triebwerke des Zerstörers aktiviert wurden und er den Orbit verlassen haben musste. Jetzt fror sie und wusste nicht wo sie war oder wann es war. Nachdem sie festgestellt hatte, dass der Antrieb des Zerstörers nicht mehr aktiv war, beschloss sie, dass es an der Zeit war ihren Posten zu verlassen. Erst stieg sie die Leiter herunter und lugte mit dem Kopf aus der Schleuse des Wartungstunnels. Das Außenschott des Laderaums war offen, was bedeuten musste, dass der Zerstörer demnächst Ladung aufnehmen musste. Eine bessere Chance das Schiff zu verlassen würde sich nicht bieten. Natalie schnappte sich das Werkzeugcase, was anscheinend von niemandem bemerkt worden war und schob es die Laderampe herunter. Der Hangar sah eher nach Station aus, als nach Planet. Die Tatsache, dass der Hangar leer war deutete darauf hin, dass der Besitzer des Zerstörers auch der Besitzer der Raumstation war, aber Natalie hatte andere sorgen. Sie ließ den Werkzeugkasten liegen und verließ den Hangar um sich auf der Station weiter umzusehen. Sie bemühte sich zielstrebig zu wirken, damit die Leute die ihr entgegenkamen nicht merkten, dass sie eigentlich nicht hierher gehörte. Schließlich fand sie ein Informationsterminal, was ihr den Weg zum Promenadendeck wies. Natalie war noch nie auf einer Raumstation, aber das Promenadendeck gefiel ihr. Das Einkaufszentrum erstreckte sich über den kompletten äußeren Ring der Station, und das über drei Etagen. Doch zuerst begab sie sich in eins der zahlreichen Restaurants und gönnte sich von den geklauten Credits ihres Vaters ein fürstliches Frühstück. Die Bedienung schaute etwas verwirrt. Mechaniker verirrten sich wohl nicht oft auf das Promenadendeck zum Frühstücken. Oder aber es gab nicht viele weibliche Mechaniker auf der Station. Letztendlich war es egal. Natalie hatte alles bezahlt, und das war, was für die Kellnerin zählte. Nachdem sie die Jumboportion Pfannkuchen und den Schoko-Cappuccino verdrückt hatte, begann sie über ihre nächsten Schritte nachzudenken. Für sie stand fest, dass sie an ein eigenes Schiff kommen musste. Ihr altes Leben war seit gestern vorbei. Es gab zwei Möglichkeiten um an ein Schiff zu kommen. Eins kaufen oder eins stehlen. Und obwohl sie das kaufen bevorzugte, wollte sie das stehlen noch nicht ausschließen. Sie wusste nicht, ob ihr erspartes für ein Schiff reichen würde. In dem Fall müsste sie versuchen anderweitig an ihre Freiheit zu kommen. Ein kurzer Blick in eins der Infopads sagte ihr, dass sie sich im Quintana-Roo-System befand. Und zwar an der Brannigan-Passage. Alles in allem hatte sie trotzdem nur eine vage Ahnung wo das war. Sie spazierte weiter über die Promenade, bis die Beschilderung sie auf die Raumschiffwerften hinwies, die sich in den inneren Ringen der Station befanden. Sie folgte den Schildern, bis sie schließlich in einem großen Hangar ankam, wo mittlere bis kleine Schiffe in verschiedenen Farben und Ausstattungen ausgestellt waren. Bei den Jägern blieb sie stehen und sah sich die Preise und Ausstattungen genauer an.

"Kann ich ihnen vielleicht behilflich sein?" schaltete sich der Verkäufer ein, auch wenn er sehr skeptisch dreinblickte. Wahrscheinlich war er nicht davon überzeugt, dass sie weder das nötige Kleingeld, noch das Alter für einen Jäger hatte.
"Ich interessiere mich für einen Jäger." Sagte Natalie mit ruhiger Stimme.
"Sehr schön, haben sie bestimmte Vorstellungen was die Ausstattung angeht? Waffen? Schilde? Vielleicht sogar Frachtraum?"
"Nein, deswegen bin ich ja hier. Was kostet ein Jäger mit Grundausstattung?"
Das Lächeln im Gesicht des Verkäufers wirkte jetzt noch aufgesetzter. Das schien ihm schon als Beweis zu genügen, dass hier kein lukratives Geschäft lauerte. "Das Standartmodell." Er seufzte. "Das wäre die einfache Bewaffnung mit 40 Einheiten, Waffen nach Wahl, 30 Schilde, ebenfalls nach Wahl und Kein Extra-Antrieb, was dem Wert von 2,3 Impulstriebwerken entsprechen würde." ratterte der Verkäufer automatisch runter.
"Der Preis!"
"Der Preis? Oh, ja, für das Standartschiff, ohne Einbauten wären das 18.000 Credits. Natürlich könnte ich mit dem Preis noch weiter runtergehen, wenn sie sich dazu entschließen würden auch das Schiffszubehör und die Ausrüstung bei uns zu kaufen."

18.000 Credits. Natalie hatte knapp 10.000, das würde nicht reichen. Sie bedankte sich und verließ niedergeschlagen den Verkaufshangar. Sie würde sich was anderes einfallen lassen müssen.

Später am Tag hatte hatte sie sich umgezogen und saß in einer der Raumbars auf dem Promenadendeck. Der Overall schien ihr fürs erste nicht mehr angemessen und so trug sie etwas lockereres, was eher ihrem Stil entsprach. Während sie langsam ihrem alkoholfreiem Cocktail schlürfte (Die Bestellung eines alkoholfreien Cocktails schien den Barkeeper mehr zu wundern als ihr jugendliches Alter.) stellte sie fest, dass es auf der Erde später Nachmittag sein musste. Aber das war von keiner Bedeutung mehr für sie. Ihre Gedanken waren immer noch bei dem Jäger. Ein Schiff zu klauen würde auf dieser Station nicht leichter sein als auf der Erde. Und in der Schiffswerft brauchte sie es gar nicht erst zu versuchen. Sie überlegte bereits, ob sie sich wieder als blinder Passagier auf eins der Raumschiffe schleichen sollte, um ihr Glück auf dem nächsten Planeten zu versuchen. Andererseits hatte sie wenig Lust ihr Glück weiter herauszufordern und zum Beispiel auf einer Eiswelt zu stranden, von der man nicht so leicht runterkam wie von der Erde oder einer Raumstation an einem Wurmloch, mit viel Durchgangsverkehr. Gerade als sie begann sich zu sorgen, wo sie die kommende Nacht verbringen würde, beobachtete sie, wie ein leicht bekleidetes Mädchen sich neben einen der Piloten am Tresen setzte, kurz mit ihm sprach und mit ihm im Arm wieder verschwand.