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Galaktisches Datenregister schrieb am 13-06-2009 21:46:28 : Von Bleistiften, Paragraphen und Sachbearbeiterinnen
“Dringend? Hm, hat also Zeit.” Oswald zu Mährenburg legte die Aktenmappe auf einen der Stapel auf seinem Schreibtisch. Ja, hier beim GDR auf dem Nokora gab es tatsächlich noch Aktendeckel und Heftklammern und Bleistiftanspitzer und weitere Utensilien, deren regelkonforme Anwendung schon so manchem Beamtenanwärter bei der Abschlussprüfung ein Bein gestellt hatte.

“Eilt!” - diese Aktenmappe kam auf den gleichen Stapel. Für Oswald zu Mährenburg galt, wer Zeit hatte, solche Begriffe auf Aktendeckel zu schreiben, der konnte sich mit der Zeiteinteilung und der Bewertung von Prioritäten nicht so recht auskennen.

“Oberste Priorität!” Oswald zu Mährenburg verzog das Gesicht. Solche Anweisungen kamen ihm heute grad recht. Es kostete ihn zwar einiges an Geschick, aber letztlich hatte er die Mappe an die unterste Stelle des entsprechenden Stapels platzieren können. Mit sich selbst zufrieden legte er die restlichen drei Mappen zur Seite und gönnte sich erstmal eine Pause. Laut Verordnung #32 standen ihm exakt 37.5 Minuten Pause zu. Einige Kollegen hatten sich zwar schon darüber beschwert, dass so eine kurze Pause viel zu knapp bemessen sei, aber wenn man sich geschickt anstellte und zwei Pause direkt hintereinander nahm, dann konnte man bequem die Füße hochlegen. Schließlich standen einem laut Tarif vier solcher Pausen zu. Eine für das Frühstück, eine für das Mittagessen, eine für Kaffeepausen und die vierte sollte zur Auflockerung der Gesamtsituation dienen.

Oswald zu Mährenburg lockerte seinen Bauchbinder, was dazu führte, dass die Knopfleiste seines Hemds einer harten Zugspanungsprobe ausgesetzt wurde. Setzen und auflockern, das waren für den Beamten in seinem 17. Dienstjahr wichtige Verben und er nahm sich jeden Tag ausreichend Zeit für sie. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und setzte sich in seinen mit Massagerollen ausgestatteten Bürostuhl und schloss die Augen.

Mit einer Geschwindigkeit, die man einem GDR Beamten nicht zutraute, fielen seine Augen zu und flogen seine Gedanken zurück in den ein-wöchigen Superkurzurlaub, aus dem er heute zurück gekommen war. Eigentlich war es ja mehr ein verlängertes Wochenende, Urlaub begann für ihn normal erst ab 21 Tagen. Bei so viel Stress auf dem Amt waren die 57 tariflich geregelten Urlaubstage grad ausreichend, um für Erholung zu sorgen.


Exakt 37.5 Minuten später schlug Oswald zu Mährenburg die Augen wieder auf und griff sich zwei der drei übrigen Mappen, sortierte sie nach Dringlichkeit und widmete sich dann beflissen der letzten Akte. Man musste sich zwar nicht ein- und ausstempeln für seine Pausen, aber Oswald zu Mährenburg war schließlich ein ausgezeichnet ausgebildeter Beamter, man könnte sogar soweit gehen und ‘vorbildlich’ sagen. Es waren ihm Gerüchte zu Ohren gekommen, dass sich andere Kollegen erdreisteten, die Pause auf glatte 38 Minuten aufzurunden, oder gar - und ihm war fast eine Bleistiftspitze abgebrochen, als er das gehört hatte - ja, gar 40 Minuten Pause sollen schon vorgekommen sein!

Für ihn war es einfach unvorstellbar, wie Kollegen nur so dreist sein konnten, so - ja, ihm viel es nicht schwer, es so drastisch auszudrücken - so faul sein konnten!

Die letzte Mappe hatte einen Vorgang als Inhalt, der auf eine Auskunft aus der letzten Woche basierte. Irgendwelche Aktionäre hatten wiederholt die Aufklärung eines simplen Auflösungsprozesses gefordert.

“Erstaunlich, dass solche Leute es schaffen, überhaupt eine Kommunikationsanlage zu bedienen.” Belustigt las Oswald zu Mährenburg die Anfragen, die vermeintlichen Anschuldigungen und die Verweise auf absolut unzutreffende Paragraphen.

“Man lernt doch schon im dritten Ausbildungsjahr zum Beamten des gehobenen Dienstes, dass der Sitz einer AG entscheidend ist, welche Gesetze Anwendung finden.” Amüsiert griff Oswald zu Mährenburg zu einem der sorgfältig gespitzten Bleistifte und zum Formblatt 0815, das in diesem Fall einer erneuten Anfrage vom zuständigen Beamten ausgefüllt werden musste. Absolut sorgfältig und ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, füllte er das Formblatt aus, markierte die notwendigen Kästchen, trug Daten ein und ließ sich etwas widerstrebend zu einer eigentlich absolut überflüssigen Erklärung hinreißen.

“Gemäß der gültigen 182. Fassung der nokor’schen Gesetzestexte hat der Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft für den Fall, dass er auch Hauptaktionär ist, das Recht, die AG jederzeit aufzulösen und über sämtliches Kapital der AG zu verfügen. Paragraph 2393”, hier kam Oswald zu Mährenburg kurz ins Grübeln, denn der Absatz, den er nun angeben wollte, war ziemlich neu. Erst vor einigen Wochen wurde der Gesetzestext an dieser Stelle überarbeitet und ausgeweitet. Er überlegte kurz, ob die drei Tage Sonderurlaub und die riesige Sause, die der Direktor angeordnet hatte, vor oder nach der Änderung angesetzt worden waren.

“Ach ja, die Feier!” Bei der Sause war er der Sachbearbeiterin aus dem 12. Untergeschoss näher gekommen. Endlich hatte er ihren Namen erfahren! Sie arbeitete nun auch schon 4 Jahre für das GDR und ihm war abwechselnd heiß und kalt geworden, als sie ihm über ihre Hornbrille hinweg von der anderen Seite des Buffets zugezwinkert hatte. Der neunmalkluge Herr Maller-Ladenscheid aus dem 7. Untergeschoss hatte natürlich behauptet, ihr sei sicher etwas ins Auge geflogen, aber Oswald zu Mährenburg war sich sicher, dass das Zwinkern ihm gegolten hatte.

Nach einem halben Glas Dracheneiperlbrause hatte er seinen ganzen Mut zusammen genommen und war zu der Dame seines Herzens gegangen. Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt, aber man durfte ja auch nicht gleich so stürmisch mit der Tür durch das Datenregister fallen. Sie hatte bei seinem Erscheinen kurz einen ihrer Aktendeckel gehoben und ihn einen schnell Blick auf eine Form Y-NOT-6 werfen lassen. Zum Glück verfügte Oswald zu Mährenburg über genug Erfahrung mit dem Formular, um zielsicher alle Informationen ausblenden und sich voll auf den Namen des zuständigen Sachbearbeiters konzentrieren zu können.

Als er nun an diesen Moment zurück dachte, wurde ihm sekundenlang das Handgelenk seiner Schreibhand schwer. Ob er noch diesen Monat den nächsten Schritt machen konnte? Oder war das zu aufdringlich? Den Maller-Ladenscheid würde er auf keinen Fall fragen können, der hatte ja wieder einmal bewiesen, dass er von Frauen keine Ahnung hatte.

Ebenso ahnungslos waren auch die Antragsteller des Vorgangs, der noch immer vor ihm lag. Ohnehin schon unzufrieden, weil ihm der entsprechende Absatz noch nicht ganz geläufig war, wurde er noch ein wenig ungehaltener, weil dieser Vorgang ihn nun schon so lange beschäftigte. In seiner Statistik würde das gar nicht gut aussehen!

Nach einem gezielten Griff in das Regal hinter ihm schlug er den gesuchten Gesetzestext auf und studierte den Absatz noch ein Mal sorgfältig. Solch eine Unzulänglichkeit durfte nicht nochmals vorkommen! Dann ließ er den Bleistift wieder über das Formblatt 0815 fahren.

“Paragraph 2393, Absatz d, regelt die Ausnahmen, unter welchen Bedingungen ein Vorsitzender auch Hauptaktionär der AG sein kann. Die Absätze g und h regeln die Vererbbarkeit von Aktienanteilen und Absätze k,l und m treffen Aussagen zu einem Ausscheiden des Vorsitzenden und zur Nachfolge.

Nach Studium aller Fakten ist das Vorgehen der EPAG nach dem Ableben von Herrn Chavez als absolut rechtens zu beurteilen und der Antrag von Frau Chavez zur Löschung der EPAG aus dem GDR war rechtskräftig.

Aus diesem Grund wir der Vorgang abgeschlossen.”

Der Bleistift, inzwischen schnell wieder angespitzt, landete in der dafür vorgesehenen Schatulle, der Aktendeckel wurde geschlossen, mit einem dicken ‘Vorgang abgeschlossen’-Stempel versehen und die Aktenmappe dann in die ‘Ab-damit-zur Abteilung-für-Erledigtes’ Ablage sortiert.

Damit war für Oswald zu Mährenburg diese Angelegenheit beendet - Zeit für eine weitere Pause. Damit konnte man sich schließlich nicht ewig Zeit lassen, hatte der Beamtentag doch nur 5 Stunden!
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