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es war einmal...

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Takeo Yamagashi schrieb am 08-01-2010 18:51:05 : Pazifizierung?
upic
Wie sehr ihm dieses anstrengende Mädchen doch auf die Nerven ging. Ständig zerrte und zeterte sie an Reynor, an Tassador, an Suomi rum. Ständig verschwand sie aus unerklärlichen oder trivialen Gründen für geraume Zeit in der Versenkung und erstand daraus ebenso unerwartet wie unerwünscht wieder auf. Wenn es nach ihm ginge, dann könnte sie einfach auf einer ihrer geliebten Inseln hocken bleiben und sich die verdammten Augen über diese polyamouröse Oxana ausheulen.

Ausschlaggebend für seine herrlich schlechte Laune war ein Zusammentreffen mit Athena am Tag zuvor, welche ihm die freudige Botschaft überbrachte, dass Philippa wieder einmal von ihrer Herzschmerztour geheilt zurückgekehrt sei. Schon vor Wochen, sagte ihm Athena, mit einem leichten Vorwurf in der Stimme und auch im Blick. Gut und schön, hatte er ihr geantwortet, soll sie doch. Er hatte sich abgewandt, seine Haare wie immer unbewusst über seine linke Gesichtshälfte gestrichen und gedacht, dass es schon seinen Grund hatte, warum er diese Hiobsbotschaft ignoriert hatte. Warum musste ihm Athena das auf die Nase binden? Nur, weil er die Conaghy seit ihrer "Auferstehung", ein verächtliches Schnauben schickte er diesem Gedanken hinterher, nicht beachtet und sich mehr oder weniger auch geweigert hatte, mit ihr zusammenzuarbeiten? Dass das Athena, die irgend so eine Art von Kommandantenposten bekleidet, nicht gefällt, ja, das konnte er nachvollziehen. Aber sollte er sich deswegen mit diesem erbarmungswürdigen Geschöpf Gottes abgeben? Nein, das sah er nicht ein. Sie war nicht nur naiv und dumm, sondern auch kindisch, unzuverlässig und anstrengend, in ihrer alles an sich reißenden Art.

Doch nein, da ist sie wieder. Strahlend schön und mittelpunktsbedürftig. Wütend, auch wenn er derart starke Emotionen ungern zuließ, stopfte er sich sein Frühstück, einige Happen Sushi vom Vorabend, hastig in den Mund, kaute kaum und schluckte sie runter. Darauf folgte ein heftiger Hustenanfall, er griff hastig nach einer der Teeschalen und stürzte den kalten, ebenfalls vom Vorabend übriggebliebenen, Grünen Tee hinunter.

Das Quartier Takeos auf seiner M.I.S.S. Vergnügen war ebenso leidenschaftslos eingerichtet, wie er selbst Emotionslosigkeit ausstrahlte: brutalistischer Stil, keine warmen Farben, keine übermässigen Stoffe, Kissen oder gar weiche Matratzen. Statt Polsterstühlen kleine Kissen vor dem niedrigen Couchtischchen, statt Bildern Kaligraphien in Schwarz auf Weiß an den Wänden. Zumeist japanische Gebete. Lesen konnte sie außer ihm sowieso niemand. Jeden Morgen verrichtete er seine Gebete vor einem dieser kaligraphischen Kunstwerke, richtete sich in seinem unterkühlten, da niemals beheizten, Schlafgemach auf und schritt unter die kalte Dusche.

Er gönnte sich weder Urlaub, noch Vergnügungen anderer Art. Selten Alkohol oder kulinarische Genüsse. Er hatte keine Freunde, zumindest nicht, dass er wüsste, nur Geschäftspartner und Clankollegen. Selbst an deren Gelagen beteiligte er sich nie. Höchstens zu offiziellen Anlässen traf er mit den anderen Thenta Ma`Kurs zusammen. Und auch das nur, wenn es sich nicht umgehen ließ. Er war ein typischer Eigenbrötler. Verschwiegen, kaum einer wusste über seine Vergangenheit oder seine familiären Hintergründe Bescheid. Er galt als kühl und arrogant. Keiner wollte mit ihm länger in einem Raum verweilen, denn die gefühlte Temperatur sank schlagartig gen Null. Und das war ihm recht so. Er nährte die Gerüchte, die ihn als gefühlskalt, ungerecht und übermäßig streng darstellten.

Seine Crew hasste ihn nicht unbedingt. Er war fair, auch wenn er ihnen genauso viel abverlangte, wie sich selbst, seinem Umfeld und seinem Schiff. Er war daran gewöhnt, alles perfekt zu können. Er zahlte gerechte Löhne, lobte, wenn es angebracht war, und legte auf subtile Art und Weise nahe, was schlecht gelaufen ist.

Das einzige, was bei weitem nicht perfekt war, war sein Aussehen. Doch auch daran hatte er sich gewöhnt. Seine Amme, Ziehmutter und Bezugsperson Nagi hatte immer zu ihm gesagt, dass wahre Schönheit von innen käme. Sie hatte ihm die Haare immer mit Absicht extra kurz geschnitten. Er müsse lernen, damit umzugehen. Er müsse sich daran gewöhnen, dass ihn die Leute anstarrten, nicht nur wegen seiner offensichtlich asiatischen Abstammung, sondern auch wegen der Brandnarben, die seine linke Gesichts- und Oberkörperhälfte verunstalteten. Als Kind war es schwer. Keine Eltern mehr, Geschwister tot, fremde Menschen, die für ihn sorgten. Doch Nagi machte alles einfacher. Wenn er weinend nach Hause kam, stärkte sie ihm den Rücken oder nahm ihn in den Arm. Sie ermutigte ihn, sich mit seiner Vergangenheit, mit seiner Herkunft auseinander zu setzen. So kam es, dass er im Teenageralter, während die anderen flirteten, ausgingen, Spaß hatten, in alten Texten und Archiven wühlte, sich tagelang in seinem abgedunkelten Zimmer verschanzte und über Schriftzeichen grübelte.

Die psychischen Wunden, die ihm die Mädchen ob seines Erscheinungsbildes zufügten, wurden tiefer, schmerzhafter und unerträglicher, so dass er sich eines Tages dazu entschloss, nie mehr traurig zu sein, keine Gefühle mehr an sich ran zu lassen. Egal, ob eigene oder fremde. Er wollte nicht mehr, hatte genug Leid erfahren, physisch wie seelisch. Nagi blickte ihm traurig hinterher, als er mit knapp 20 Jahren nach dem Schulabschluss sein Heim, ihr Haus, verließ, ohne eine einzige Träne zu vergießen. Keine drei Jahre später sollte er erfahren, dass ein Pack Banditen sie und ihren Mann eines Nachts im Schlaf ermordeten und den Palast, der nach dem Tod seiner eigenen Eltern und Geschwister sein zu Hause wurde, plünderten und niederbrannten. Er quittierte diese Nachricht einer seiner anderen Ziehgeschwister mit einem stoischen Blick und wandte sich dann wieder seinem Studium zu.

Er schüttelte den Kopf, runzelte die Stirn und fragte sich, warum seine Gedanken von einem Mädchen mit sonnengebleichtem Haar zu seinem höchsteigenen Sein abschweiften.

Er zog sich seine tägliche Uniform an: schlichte schwarze Stoffhosen, einen grauen Rollkragenpullover und die unvermeidliche blutrote Jacke mit TM`K-Emblem. Auch wenn er sich nicht mit allen in diesem Verein grün war, so fühlte er sich doch gut aufgehoben. Es herrschten Freundschaft und Solidarität bei diesen Menschen. Fast, wie eine echte Familie. Man ließ ihn sein Ding machen und störte ihn nicht weiter. Man nötigte ihm keine Gesellschaft auf. Das war gut.

Takeo hatte keine Spiegel in seinem Bad oder sonst wo in seinen privaten Gemächern. Wozu sollte er sich auch selbst in das vernarbte Gesicht starren? So edel Nagis Beweggründe auch gewesen sein mögen, er selbst fühlte sich nie ansehnlich und hatte außerhalb seines Zuhauses angefangen, sich die Haare lang wachsen und über sein Gesicht fallen zu lassen.

Auf der Brücke angekommen nahm er seinem 1O, einer eifrigen jungen Frau mit hervorragendem Führungszeugnis, rauer Stimme und eisernem Willen, das Kommando ab und schickte sie auf ihr eigenes Quartier, damit sie sich nach einer langen Schicht erholen konnte.

Er setzte sich in seinen steifen und kalten Kommandosessel und gab kurze Anweisungen, den zuvor von der Sensorik gemeldeten Jäger am Wurmloch vom Serpens in das Sol-System anzuvisieren und, nach erfolgter und erwarteter Überwältigung, ein Enterteam hinüberzuschicken.

Kurz zuvor ist ihnen die M.I.S.S. Kilauea entgegengekommen, jedoch, ohne eine Nachricht an sie zu senden. Auch gut, wahrscheinlich war sie noch unzufrieden mit seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft. Düster zogen sich seine Augenbrauen zusammen und die Stirn kraus, als seine Gedanken erneut in diese Richtung abwichen. Er schluckte die aufkeimende Wut hinunter und konzentrierte sich lieber auf den Statusbericht der letzten Schicht.

Als sie sich dem angepeilten Navigationspunkt nähern, direkt im Angesicht des Wurmlochs, meldet sich die Sensorik, man habe weitere Schiffe gesichtet. PAX, der Signale nach zu urteilen. Gut, sagte er, das solle sie nicht weiter stören, so ein paar Headhunter sollten nicht schaden. Ein guter Grund, seine schlechte Laune loszuwerden.

Er überließ sich sich selbst und seiner Mannschaft ihren Aufgaben. Mit mal kam eine Nachricht rein, der Offizier an der Kommunikationsstation leitete sie ihm, wie gewöhnlich ohne einen Blick darauf zu werfen und ohne Fragen zu stellen, weiter.

Rahel Bachstein[PAX], "Recht so, Vergnügen ist uns auch viel lieber als Kilahuirgendwas."

Hm, was sollte er nur davon halten? Der Name kam ihm zweifellos bekannt vor, hatte doch gerade wieder seine Lieblingskollegin vor zwei Tagen in der claneigenen Bar über das Mädchen gesprochen.

Er wollte sich erst mal ein eigenes Bild seines Gegenübers machen, gab Namen und Schiffskennung in die öffentlichen Datenbanken ein und erhielt lediglich den Namen, welchen er kannte, die Clanzugehörigkeit, welche ihm ebenfalls nicht unbekannt war, noch ein Bild. Und dieses berührte etwas in seinem Inneren. Ihr kastanienbraunes Haar, welches sie locker im Nacken zu einem Knoten geschlungen hatte, hatte sich an einigen Stellen gelöst und viel in Locken auf ihre Schultern. Dazu braune Augen, lange Wimpern und ein freundliches Lächeln. Einem plötzlichen Impuls folgend, welchen er im Nachhinein nur als emotionelle Verwirrung bezeichnen würde, hervorgerufen durch das vorangegangene Ärgern über Philippa, begab er sich umgehend in sein Quartier, damit seine Mannschaft diesen menschlichen Moment nicht miterleben konnte, und beantwortete ihre Nachricht:

Von Deiner charmanten Art habe ich schon von meiner Kollegin erfahren. Ebenso erwähnte Sie dein Erscheinungsbild. In beiden Fällen ein Erlebnis.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? War er noch ganz bei Trost? Durchaus produktive Emotionen wie Wut unterdrückte er und nun ließ er sich von einem Mädchen mit Rehaugen übertölpeln? Doch so sehr er sich auch über sich selbst ärgerte, konnte ihn doch nichts auf die folgenden Worte vorbereiten, die seine Antipathie gegenüber Philippa unerwartet befeuerten:

"Hmhm, kann sich nur um dieses blonde Schnittchen handeln, das ernsthaft der Meinung war, mich mit ihrem kleinen Hintern beeindrucken zu können. Na, Sie scheinen da vernünftiger und auch meinem Geschmack entsprechend "equipped"."

Das selbstsichere Lächeln um den perfekt geformten Mund konnte weder ihn noch sonst irgendwen darüber hinwegtäuschen, dass sein Gegenüber nicht so selbstsicher war, wie sie tat oder sich zumindest nicht so fühlte. Ihre Augen verrieten sie, die etwas Unsicherheit ausstrahlten. Aber nur ein wenig, gerade genug, dass er es bemerken konnte. Er, der all die Jahre seiner düsteren Jugend damit zugebracht hatte, andere Menschen zu studieren, um weiteren Enttäuschungen zuvor zu kommen.

Ein kurzes Schmunzeln huschte über sein Gesicht, zu spät bemerkte er, dass er die Aufnahmeverbindung der Antwort bereits aktiviert hatte. Schnell ließ er es verschwinden.

"Täuschen Sie sich nicht, der "kleine Hintern" liebt es sehr, wenn sich die anvisierte Beute ziert. Und glauben Sie mir, das Heck meiner Kollegin hat in der letzten Zeit deutlich zugelegt. Also klimpern Sie ruhig ein wenig, ich werde mich mit dem "Schnittchen" nicht anlegen. Sie ist eine Frau und Sie wissen sicherlich, wie Frauen sein können."

Was war nur mit ihm los? Er lächelt ein weiteres Mal kurz. Flirtete er etwa? Doch als er sich abwendet, um die Botschaft zu versenden, schwingt sein Haar zur Seite und lässt seine vernarbte Gesichtshälfte erkennen. Er hält in seinem Tun inne und öffnet eine neue Nachricht an Rahel Bachstein:

"Nun, junge Frau, ich wünsche Ihnen und Ihren Begleiterinnen einen schönen Tag und hoffe, dass man sich vielleicht noch mal wiedersieht.

Er strafft seinen Rücken und schiebt die schultern ein wenig zurück.

"Und es ist mir egal, was Fräulein Conaghy davon hält, aber ich würde mich freuen, wenn Sie mir tatsächlich einmal Gesellschaft bei einer Tasse Tee leisten würden. Auf bald."

Er sendet die Nachricht ab, bevor er es sich anders überlegen kann. Irgendetwas in ihm hatte sich verändert, als ob diese braunen Augen ein Feuer irgendwo in ihm entfacht hätten. Ein kleines Feuer, nur ein bisschen Wärme. Irgendwo vorne in seiner verunstalteten Brust.

Er trommelte mit seinen Fingern der rechten Hand auf seinem antiken Holzschreibtisch rum, während er wartete. War es zu forsch, würde sie sich melden?

"Jaja, guten Flug. Und dabei wollte ich sie ihn gerade für ein paar Tage auf einen kleinen Badeurlaub auf dem Xabepa entführen."

War das Enttäuschung? Ein Hauch Wehmut, den er da in ihrer Stimme hörte? Badeurlaub, so so. Ja, was sie damit meinte, das erfuhr er keine zwei Stunden später, als sie und ihre Schwestern, er vermutete dies auf Grund des identischen Nachnamens, Athena Soleyka am Mars inhaftierten. Wie schade, er hatte sich wohl getäuscht, sie war doch eben nur eine Headhunterin. Sie jagte Menschen wie ihn.

Aber vielleicht, ja, vielleicht. Denn seine Vorsicht hatte ihm keine Warnsignale gesendet. Vielleicht konnte er sie eines Tages als Mann, nicht als Pirat, eine Tasse Tee servieren.

Merkwürdig gestimmt verließ er sein Quartier und kehrte mit versteinerte Miene auf die Brücke zurück.
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  • Pazifizierung? - Takeo Yamagashi - 08.01.2010 18:51:05
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